Verweigerer: Kein Asyl

Strafverfolgung von Kriegsdienstverweigerern in der Türkei gilt nicht als Asylgrund. Abschiebung droht

FRANKFURT/MAIN taz ■ Der aus der Türkei stammende Kriegsdienstverweigerer Zeynettin Er hat keinen asylrechtlichen Schutz. Diesen hat das Verwaltungsgericht in Gießen ihm in einem Asylfolgeverfahren jetzt abgesprochen. Dem 31-Jährigen, der in Heuchelheim bei Gießen lebt, droht nun die Abschiebung in die Türkei.

Wegen seines politischen Einsatzes für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung auch in der Türkei wurde gegen Er von einem Gericht in Midyat in Abwesenheit bereits dreimal Anklage erhoben. Sollte der Sprecher der Initiative kurdisch-türkischer Kriegsdienstverweigerer in Deutschland tatsächlich in die Türkei abgeschoben werden, sei seine umgehende Inhaftierung zu befürchten, sagt Franz Nadler von Connection e. V., einer Organisation für „Internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus Kriegsgebieten“.

Wie aus dem Er gestern zugestellten Urteil hervorgeht, glaubt auch das Gericht, dass Er „wegen seiner erklärten Weigerung, den Wehrdienst in der Türkei abzuleisten, im Falle seiner Rückkehr mit Strafverfolgung zu rechnen hat“. Auch sei eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ nicht von der Hand zu weisen, dass Er zusätzlich wegen „Aufforderung zum Ungehorsam“ und „Entfremdung des Volkes vom Militär“ verfolgt werden könnte. Das Gericht, so heißt es in der Urteilsbegründung weiter, habe Er dennoch den asylrechtlichen Schutz absprechen müssen, weil eine eventuelle Verurteilung in der Türkei keinen Akt der „politischen Verfolgung“ darstelle. Eine Bestrafung wegen Kriegsdienstverweigerung und Desertion schlage erst dann in eine politische Verfolgung um, „wenn diese Maßnahmen zielgerichtet als Repressalien gegenüber einer bestimmten Person eingesetzt werden, um sie wegen ihrer politischen Überzeugung zu treffen“. Den einschlägigen Strafrechtsartikel in der Türkei könne eine solche Intention aber nicht entnommen werden.

Connection und die Organisation DFG-VK erklärten gestern übereinstimmend, dass es sich bei dem Urteil um einen „groben Verstoß gegen das Menschenrecht auf Meinungsäußerung“ handele. „Hier legitimiert ein deutsches Gericht die Praxis in der Türkei, kritische Äußerungen gegen das Militär unter Strafe zu stellen“, so Rudi Friedrich von Connection. So werde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung „mit Füßen getreten“. Ers Anwalt kündigte Berufung gegen das Urteil an. Ein früheres Auslieferungsersuchen des türkischen Gerichts in Midyat hatte das Bundesjustizministerium übrigens mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich bei den Er vorgeworfenen strafbaren Handlungen um „politische“ gehandelt habe.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT