nebensachen aus bischkek
: Kirgisisches Muftiat prellt Pilger um Geld und Ehrentitel

In allen Religionen ist eine Pilgerfahrt eine ernste Angelegenheit. Zur Erlangung ihres Seelenheils sind die Gläubigen bereit, tief in ihre Taschen zu greifen. Das gilt besonders für die Hadsch nach Mekka. Dieses Jahr fiel die islamische Woche in den Anfang des Januar. Zum Opferfest Kurban Ait, wie es in Zentralasien heißt, pilgerten mehr als zwei Millionen Muslime aus aller Welt zu den heiligen Stätten in Saudi-Arabien. Tausende Muslime aus Zentralasien scheuten ebenfalls weder Geld noch Mühen, um nach Mekka zu gelangen. Nicht nur, dass ein Muslim nach der Pilgerfahrt eine der fünf Glaubenspflichten erfüllt hat: Ihm winkt der Ehrentitel Hadschi.

Für die Gläubigen aus Kirgisien stand die Pilgerfahrt unter keinem guten Stern. Tausende Pilger sitzen bis heute im Iran fest. Das Außenministerium in Bischkek sucht panisch nach Auswegen, die gestrandeten Bürger heimzuholen. Vogelgrippe und ein korruptes Muftiat, die lokale islamische Organisation, taten ein Übriges. „Wir vermasseln zurzeit alles, selbst eine Hadsch“, seufzt der Parlamentspräsident.

Für den Anfang des Pilgerchaos sorgte das Muftiat. Saudi-Arabien vergibt jedes Jahr Quoten, wie viele Muslime aus dem jeweiligen Land an der Hadsch teilnehmen dürfen. In Kirgisien regelt das Muftiat, wer sich auf den Weg zur Kaaba machen darf. Dieses Jahr wurden Kirgisien 4.500 Pilgerplätze zugesprochen. Das Muftiat nahm aber Antragsdokumente und Geld in Höhe von über jeweils 800 Dollar von 7.500 Gläubigen an. Die über der Quote liegenden Pilgerwilligen durften zwar zahlen, aber nicht reisen.

Die um Geld und Fahrt geprellten Gläubigen beschuldigen das Muftiat, die Plätze an Bürger anderer Staaten wie Usbekistan oder Kasachstan verkauft zu haben. In diesen Staaten wird jeder Reisewillige von den Geheimdiensten überprüft. Für viele Muslime aus den Nachbarstaaten ist es daher einfacher, über das kirgisische Ticket zu pilgern.

In der südkirgisischen Stadt Osch kam es bereits zu wütenden Demonstrationen. Die staatlichen Stellen versprechen zwar, dass das zu Unrecht eingegangene Geld zurückgezahlt werde, ohne jedoch die genaue Höhe zu beziffern. Zumal neben den offiziellen Reisekosten der Pilger zusätzliche Ausgaben hat, die nun verloren scheinen.

Aber auch viele kirgisische Pilger, die das Glück hatten, reisen zu dürfen, erreichten das ersehnte Ziel nicht. Von über 90 Autobussen, die von Kirgisien losfuhren, kamen ganze 7 in Saudi-Arabien an. Die übrigen Busse, die ihre besten Zeiten schon lange hinter sich hatten, blieben mit den verzweifelten Pilgern liegen. Die Staatsanwaltschaft erklärt, wenn sich der Verdacht der Korruption im Muftiat erhärte, wolle sie Maßnahmen ergreifen. Doch nicht nur weltliche Gier erschwerte die Pilgerfahrt: Die in der Türkei wütende Vogelgrippe verhindert die Rückreise der erfolgreichen Hadschis nach Kirgisien. MARCUS BENSMANN