Jetzt drohen sieben magere Jahre

ITALIEN Hartes Urteil im „Rubygate“-Prozess gegen Expremier Silvio Berlusconi. Anwälte gehen in Berufung

Auffällig viele Entlastungszeugen beziehen ein monatliches Salär vom Angeklagten

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Sieben Jahre Haft plus Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte: Mehr als zwei Jahre und gut 50 Verhandlungstage waren nötig, ehe eine Mailänder Gerichtskammer Italiens Expremier Silvio Berlusconi am Montag im sogenannten Rubygate-Verfahren schuldig sprach.

Angeklagt war der Medienunternehmer, Milliardär und Politiker wegen seiner Beziehung zu einer minderjährigen Prostituierten und wegen Nötigung im Amt. Im Zentrum stand dabei – neben Berlusconi – Karima El Mahroug alias „Ruby Rubacuori“ (Ruby Herzensstehlerin), die von Februar bis Mai 2010 mehrfach in der Villa des damals 73-Jährigen vor den Toren Mailands zu Gast war. Damals hatte sich Berlusconis Frau gerade von ihm getrennt – infolge der Affäre mit Noemi Letizia, der Berlusconi im April 2009 seine Aufwartung zum 18. Geburtstag gemacht hatte. Dadurch erfuhr nicht bloß seine Ehefrau, sondern ganz Italien erstmalig von seiner Neigung zu sehr jungen Mädchen.

In den Monaten nach dem Scheitern seiner Ehe tröstete sich Berlusconi nach Kräften. „Elegante Abendessen“ nannte er die Veranstaltungen; diverse Zeuginnen vor Gericht schilderten allerdings wahre Orgien, in denen er sich mit Dutzenden Frauen vergnügte. Das allein wäre nicht strafbar – wohl aber, dass El Mahroug für Sex Geld erhielt, obwohl Berlusconi wusste, dass sie minderjährig war. Das sah das Gericht nun als erwiesen ansah. Zudem holte Berlusconi Ruby aus dem Gefängnis, als sie im Mai 2010 in Mailand unter Diebstahlsverdacht festgenommen worden war. Der Premier – von einem Gipfel in Paris aus – rief mehrmals im Mailänder Polizeipräsidium an und tischte den Beamten die Mär auf, Ruby sei „die Nichte Mubaraks“ und müsse umgehend auf freien Fuß gesetzt werden, um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden.

Obwohl die in jener Nacht zuständige Staatsanwältin ihr Veto einlegte, gehorchte die Mailänder Polizeiführung und überantwortete El Mahroug der Regionalabgeordneten Nicole Minetti – einer jungen Frau, die ihre politische Karriere der Tatsache verdankte, dass sie die Sexpartys für Berlusconi organisierte. Minetti wiederum beauftragte umgehend eine brasilianische Prostituierte, sich um Ruby zu kümmern. Auch angesichts dessen erscheint wenig glaubhaft, dass Berlusconi die Mubarak-Geschichte glaubte.

Trotzdem beruhte seine gesamte Verteidigung auf zwei Behauptungen: Erstens da war gar nichts, schon gar kein Sex, erst recht nicht mit Ruby. Und zweitens bekundeten ganze Bataillone von Zeuginnen, alle hätten Ruby geglaubt, dass sie volljährig ist. Nur: Von denen beziehen auffällig viele seit 2010 ein monatliches Salär von 2.500 Euro vom Angeklagten. Er zahle nur aus Mitleid, so Berlusconi, schließlich seien die Zeuginnen wegen des gegen ihn losgetretenen Prozesses „wirtschaftlich ruiniert“.

Doch das Gericht schenkte den zahlreichen Belastungszeugen und den Telefonabhörprotokollen, die den Angeklagten belasteten, mehr Glauben. Unmittelbar wirksam wird das Urteil aber nicht. Berlusconis Anwälte werden in die Berufung gehen.

Dafür droht dem frisch Verurteilten bereits neuer Ärger: Am Donnerstag wird eine Zivilkammer des Kassationsgerichts in letzter Instanz über eine enorme Entschädigung entscheiden, die Berlusconi an einen konkurrierenden Verleger zahlen soll. Per Richterbestechung soll er einem Konkurrenten 2009 den Mondadori-Verlag entwunden haben. Ein Mailänder Gericht hatte dafür 560 Millionen Euro Entschädigung festgesetzt. Sollte dieser Spruch Bestand haben, muss Berlusconi definitiv zahlen.