RALF LEONHARD ZUR VERURTEILUNG DER ROMA-MÖRDER IN UNGARN
: Passt ins Konzept

Es ist durch. Die mutmaßlichen Roma-Mörder wurden also zu lebenslanger Haft verurteilt. Dass die Berufungsinstanz dieses Urteil aufhebt, ist nicht zu erwarten. Denn es passt auch der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán bestens ins Konzept.

Sie unternimmt zwar wenig, um das gegen die Roma eingenommene gesellschaftliche Klima zu verändern, will sich aber nicht vorwerfen lassen, selbst Hetze gegen die ungeliebte Minderheit zu betreiben. Zwar hat sie versucht, mittels Zwangspensionierung unabhängiger Richter mehr Einfluss auf die Justiz zu gewinnen. Aber noch kann man der richterlichen Gewalt nicht pauschal vorwerfen, zum willfährigen Instrument der Machtinteressen Orbáns verkommen zu sein.

Trotzdem urteilte der Richter so, wie es von ihm erwartet wurde: Die Täter, an deren Schuld wenig Zweifel bestehen, wurden verurteilt, mögliche politische Hintergründe blieben ausgespart. Die wahrscheinliche Verstrickung der Geheimdienste wurde nicht einmal angesprochen.

Man weiß, dass zwei der Verurteilten bis knapp vor Beginn der Mordserie 2008 wegen rechtsextremer Umtriebe unter Beobachtung standen. Einer war V-Mann des Militärgeheimdienstes. Was wussten die Dienste und welche Rolle spielten sie bei der Ausforschung?

Das Urteil wird vielleicht weitere extremistische Rassenideologen davon abhalten, ihren Fanatismus in Form von Mordserien auszuleben. Doch an der antiziganistischen Haltung weiter Bevölkerungskreise und vieler Funktionäre dürfte sich nichts ändern. Bürgermeister machen sich beliebt, wenn sie arbeitslose Roma zu miserabel bezahlter Zwangsarbeit einteilen oder ihnen durch Schikanen das Leben schwermachen. Und das von Orbán kontrollierte Parlament liefert dazu die gesetzliche Handhabe.

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