Nicht nur für Touristen

SCHWARZENBERG Der Kommerzialisierung zum Trotz: Das Haus Schwarzenberg besteht in seiner Verschränkung von Kultur und Geschichte dank der Hartnäckigkeit seines Vereins, der sein 15-jähriges Bestehen feiert

Zu Beginn ahnte niemand, dass die Kampagne nahezu drei Jahre dauern sollte

VON HEINRICH DUBEL

Ein großer Teil der Touristen, die täglich durch die Spandauer Vorstadt strömen, staut sich zumindest vorübergehend in den schmalen und tief verwinkelten Höfen der Rosenthaler Straße 39. Kinder staunen über das mehrere Meter hohe mechanische Metallmonster im Hof, das mit den kleinen Flügeln wackelt. Ganz hinten, im letzten Hof, spielte am Wochenende das Orchestre Miniature in the Park mit seinen Kinderinstrumenten trotz Nieselregens seine Sommerhits.

Doch nur wenige der Besucher, die hier gern Schnappschüsse machen, interessieren sich für die Geschichte des Hauses. Der jüngere Teil dieser Geschichte ist fest verbunden mit dem Verein Schwarzenberg, der in diesen Tagen sein 15-jähriges Jubiläum begeht. Am Wochenende wurde Hoffest gefeiert, mehr ist für den Herbst geplant.

Utopie im Namen

Der Verein war gegründet worden, um langfristig bezahlbare Räume für die Kultur- und Kunstproduktion bereitzustellen, als sich die kommende Aufwertung der Gegend schon Mitte der Neunziger abzeichnete. Der Name des Vorhabens, sich inmitten der anstehenden Kommerzialisierung zu behaupten, erinnert euphemistisch und wohl auch ironisch an die selbst verwaltete und kurzlebige sächsische „Freie Republik Schwarzenberg“ vom Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der Verein bewirtschaftete nicht das ganze Ensemble, einige Einrichtungen im Vorderhaus hatten (und haben) eigene Mietverträge. Ideell fühlte man sich aber dem neuen Gesamtkonstrukt zugehörig. Das Konzept sah eine Mischnutzung durch Gewerbe und Kultur vor: Ateliers, Büros, ein Kino, eine Galerie mit auf Streetart spezialisiertem Buchladen und ein Club wurden eingerichtet. Durch sparsame und zweckgerichtete Verwendung der Miet- und Vereinseinnahmen und die Bereitschaft zu ehrenamtlicher Aufbauarbeit gelang es, mehr oder weniger kostendeckend zu wirtschaften. Auch wurden Gebäudeteile bewahrt, die vor dem endgültigen Verfall standen.

Unerwartete Entdeckung

Mit einer Geschichtswerkstatt wollte man sich der hier noch unmittelbar präsenten Vergangenheit vergewissern und eine klare Vorstellung von der Geschichte des Hauses entwickeln. Dabei stieß man auf die Reste der kleinen Bürstenfabrik des Berliners Otto Weidt, der versucht hatte, seine jüdischen Arbeiter vor den Nazis zu verstecken. Das Versteck – es ist das letzte dieser Art in Europa – und der Rest der Werkstätte blieb erhalten.

Um die Jahrtausendwende sah es gut aus für den Ort, an dem Kunst, Kultur und Geschichte in einer einzigartigen Kombination miteinander verschränkt waren. Doch ringsum war die Gentrifizierung in vollem Gange, die Begehrlichkeiten des Immobilienmarkts machten auch vor dem Haus Schwarzenberg nicht halt. Die verworrene Eigentumssituation – das Haus gehörte einer Erbengemeinschaft, deren mehr als 30 Parteien auf der ganzen Welt verstreut waren und die nur wenige gemeinsame Interessen hatten – war bisher keine besondere Bedrohung gewesen. Inzwischen hatten sich allerdings finanzstarke Projektentwickler dazugesellt und Anteile gekauft. Ein Zwangsversteigerungsverfahren wurde eingeleitet.

Mit dem Verkauf an einen Investor wäre die selbst verwaltete Kulturarbeit zu einem Ende gekommen. In dieser Situation riefen die Betreiber des Hauses die Kampagne „Für die Zukunft sehe ich Schwarzenberg!“ ins Leben, mit dem absurd hoch gesteckten Ziel, das Haus selbst zu kaufen. Zu Beginn ahnte wohl niemand, dass die Kampagne nahezu drei Jahre dauern und den Verein an den Rand nicht nur seiner finanziellen Möglichkeiten bringen sollte. Alle Energien wurden auf den Erhalt des Hauses verwendet. Am Ende jedoch stand ein Triumph: 2004 wurde das Haus für knapp 3 Millionen Euro ersteigert, von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, hauptsächlich mit Geldern aus der Stiftung Deutsche Klassenlotterie. Damit war das Kulturhaus gesichert.

Aus der bescheidenen Geschichtswerkstatt ist inzwischen das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt geworden, eine Einrichtung mit Gedenkstättencharakter. Obwohl es in großen Zügen den ursprünglichen Ideen des Vereins folgt, wird es von der Stiftung Deutscher Widerstand verwaltet, und die hat manchmal ganz andere Vorstellungen von Kulturarbeit.

Da kommt es schon mal vor, dass die Stiftung ohne Absprache eine Planung entwirft, in der die Müllcontainer an einen Ort verschoben werden, der ein Künstleratelier ist. So etwas ist für Henryk Weiffenbach, Vereinsvorsitzender seit der Gründung, enttäuschend: „Es ist selbstverständlich sehr befriedigend, einen Ort wie Schwarzenberg in der Mitte Berlins zu halten. Schade ist allerdings, dass ausgerechnet unsere unmittelbaren Nachbarn das Potenzial des Ortes unterschätzen oder zur Disposition stellen.“