Kann irgendetwas Versuche an Affen rechtfertigen?
Ja

FORSCHUNG Der Neurobiologe Andreas Kreiter experimentiert mit Makaken. Er will das Gehirn erforschen, um irgendwann Heilungsmethoden etwa für Parkinson und Epilepsie zu finden. Ab Freitag wird ein Rechtsstreit über seine Versuche vor Gericht verhandelt

Andreas Kreiter, 47, Neurobiologe, experimentiert an der Uni Bremen seit Jahren mit Affen

Versuche mit Makaken spielen eine zentrale, nicht ersetzbare Rolle für die Erforschung der Funktionsweise des Gehirns. Die grundlegenden Erkenntnisse aus solchen Versuchen sind für die Entwicklung von Heilmethoden für die zunehmende Zahl hirnerkrankter Menschen unverzichtbar. Deswegen halten wir die Versuche mit Makaken für ethisch vertretbar. Man muss sich umgekehrt fragen, ob ein generelles Verbot solcher Versuche ethisch zu rechtfertigen ist, weil damit die Möglichkeit verwehrt wird, Erkrankungen des Gehirns zu heilen. Berücksichtigt man, dass unsere Gesellschaft ganz selbstverständlich auch belastendere, aber verzichtbare Verwendungen von hunderttausendfach mehr Tieren in Sport, Freizeitvergnügen, Nahrungsmittelproduktion und Schädlingsbekämpfung akzeptiert, dann sollte der hohe Nutzen der Makakenversuche für die Menschen nicht durch ein Verbot in Frage gestellt werden. Wollen wir also wirklich etablierte Grundrechte einer solchen Doppelmoral opfern?

Margot von Renesse, 70, SPD-Politikerin, ist Vizevorsitzende der Parkinsonvereinigung

Die Fähigkeit zum Mitgefühl ist das, was man unter Menschlichkeit versteht. Ohne sie verstummen Ethik und Moral. Rohheit gegenüber unseren Mitgeschöpfen erschreckt uns. Unsere Empathie wird umso stärker angesprochen, je näher unserer eigenen Art uns ein Lebewesen in Gestalt und Wesen erscheint. Die Erfahrung lehrt: Wer Tieren rücksichtslos begegnet, dem fehlt auch oft die Empathie für seinesgleichen. Leider stimmt die Umkehrung: Nicht jeder Tierschützer empfindet Mitgefühl für leidende Menschen. Wir müssen uns aber darauf verlassen können, dass menschliche Not in Abwägung mehr gilt als ein Tier. Kein Tier, ob Maus, ob Affe, darf sinnlosen Schmerzen ausgesetzt werden. Aber wenn Tierversuche erforderlich sind, um Heilungsmöglichkeiten für schwere Erkrankungen zu verbessern oder Erkenntnisse in der Grundlagenforschung zu gewinnen, müssen Tierversuche möglich sein.

Matthias Kleiner, 54, ist seit 2007 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Forschung an Primaten ist aus wissenschaftlichen und medizinischen Gründen notwendig und unverzichtbar. Gerade in den Neurowissenschaften, aber auch bei Erkrankungen wie Aids oder Alzheimer lassen sich viele grundlegende Fragen nur im Tierversuch klären. Solche Grundlagenforschung ist ihrer Natur nach nur selten direkt verwertbar. Langfristig ist der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn aber die Voraussetzung, um Therapien zum Wohle des Menschen zu entwickeln. All dies gilt auch im „Fall Kreiter“. Nach der übereinstimmenden Meinung von Gutachtern erfüllen seine Versuche alle Bestimmungen des sehr strengen deutschen Tierschutzgesetzes und sind ethisch vertretbar. Dass die Fortsetzung der Versuche untersagt wurde, ist aus unserer Sicht sachfremd motiviert und ein Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte Freiheit von Wissenschaft und Forschung.

Norbert van Kampen, 51, Diplomsoziologe, ist Vorsitzender der Deutschen Epilepsievereinigung

Es muss sorgfältig abgewogen werden zwischen dem Leid, das den Tieren zugefügt wird, und dem dadurch erreichbaren Nutzen für die Gesellschaft. Wenn es im weitesten Sinne um die Erforschung der Ursachen von Krankheiten und Entwicklung neuer Behandlungsmethoden geht, wird auf Tierversuche künftig nicht verzichtet werden können. Geht es aber um die Erforschung der Verträglichkeit von Konsumgütern – etwas Kosmetika –, sind Tierversuche abzulehnen.

NEIN

Wolfgang Apel, 59, wohnt in Bremen und ist Präsident des Deutschen Tierschutzbundes

Affen sind hochsensible Tiere, sie leiden in einer mit dem Menschen vergleichbaren Weise – auch psychisch. Daher muss der ethische Maßstab für wissenschaftliche Versuche derselbe sein: Was wir Menschen nicht zumuten wollen, dürfen wir auch Affen nicht antun. Wir müssen im Zweifelsfall andere Wege finden, an wissenschaftliche Erkenntnisse zu gelangen. Für die Erforschung des menschlichen Gehirns stehen zahlreiche moderne Methoden zur Verfügung, bei denen keine Affen gequält werden müssen. Mit diesen lassen sich auch Erkrankungen direkt am Menschen untersuchen – und nicht an Wildtieren, die diese Krankheiten gar nicht ausbilden. Die Vermehrung von Wissen ist ein menschliches Kulturgut. Doch die Freiheit der Forschung endet dort, wo andere wichtige Güter verletzt werden. Ein solches Gut ist der im Grundgesetz verankerte Tierschutz. Hirnversuche an Affen sind daher weder ethisch noch medizinisch zu rechtfertigen.

Renate Künast, 54, ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und Rechtsanwältin

Vager Erkenntnisgewinn rechtfertigt nicht das Leid von Tieren. Die Versuche in Bremen, bei denen Elektroden ins Gehirn von Affen gebohrt werden, sind ethisch nicht vertretbar. Die Tiere werden bei den Versuchen stundenlang mit im Kopf verankerten Bolzen fixiert und müssen Aufgaben am Computer lösen. Diese Experimente werden inzwischen seit über zehn Jahren durchgeführt – ohne konkreten wissenschaftlichen Nutzen. Primaten sind hoch entwickelte, intelligente Tiere, die in ihrem Sozialverhalten und ihren emotionalen Bedürfnissen den Menschen sehr ähnlich sind und wie wir Schmerzen, Angst und Leiden empfinden. Ein Verbot von Tierversuchen gilt es deshalb als Erstes bei den Primaten durchzusetzen. Unser grundsätzliches Ziel ist eine möglichst tierversuchsfreie Forschung, durch stärkere Anwendung und Entwicklung von Alternativmethoden. Versuche an Tieren sollen bis dahin nur noch zulässig sein, wenn sie wirklich unerlässlich sind für den Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt. Das ist bei den Bremer Affenversuchen definitiv nicht der Fall.

Olivia Jones, 40, Travestie-Künstlerin, ist seit langem für die Tierrechtsorganisation Peta aktiv

Irgendein kluger Kopf hat mal gesagt: „Als Mensch wird man nicht geboren, als Mensch muss man sich beweisen – durch Menschlichkeit.“ Auch Tiere kennen Mitgefühl! Es ist heuchlerisch, wie zivilisiert wir uns gegenüber dem Rest der Welt gebärden, während wir uns einen Dreck um die tierischen Artgenossen scheren. Studenten sollten einen Bogen um eine Uni machen, die das Quälen von Lebewesen für einen angeblich guten Zweck gutheißt. Politikern und Richtern, denen ethische Prinzipien wichtiger sind, als Wissenschaftsstandortsgefasel, kann ich nur Respekt zollen. Ich bin froh, dass die meisten Menschen heute Tierversuche ablehnen.

Silke Bitz, 37, Diplombiologin, ist Mitarbeiterin beim Verein Ärzte gegen Tierversuche

Versuche an Affen sind ebenso wenig zu rechtfertigen wie Tierversuche im Grundsätzlichen. In Bremen handelt es sich um zweckfreie Grundlagenforschung. Die Versuche sind für die Affen qualvoll und für die Entwicklung von Therapien für Erkrankungen nicht notwendig. Grund für das Scheitern der tierexperimentellen Hirnforschung sind die Unterschiede zwischen Mensch und nicht-menschlichen Primaten. Das Affenhirn hat keine Bereiche für Sprache, Lesen oder Musik, und das Menschenhirn hat zur Verarbeitung von visuellen Reizen Hirnbereiche, die im Affenhirn fehlen.