Sparen, sparen, sparen

NRW macht einen neuen Schuldenrekord – und sieht sich steigenden Pensionskosten ausgesetzt. Der Landesrechnungshof fordert deshalb die Landesregierung deshalb zu Rückstellungen auf

AUS DÜSSELDORFKLAUS JANSEN

6.200 Euro pro Bürger: Der Schuldenstand des Landes Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr ein neues Rekordhoch erreicht. Nach Angaben des Landesrechnungshof (LRH) betragen die Miesen des Landes offiziell 113,1 Milliarden Euro. Würde man kommende Pensionen und Renten für ausscheidende Landesbedienstete einrechnen, läge die tatsächliche Belastung sogar bei 220 Milliarden Euro. Rechnungshofpräsidentin Ute Scholle fordert von der Landesregierung deshalb eine noch stärkere Konsolidierung: „Das ist die dringlichste Aufgabe von allen“, sagte sie gestern in Düsseldorf.

Als politisch scheinbar neutrale Instanz wird der Rechnungshof von der Opposition gerne als Kronzeuge gegen die amtierende Landesregierung benutzt. In diesem Jahr wird das jedoch schwierig – auch, weil sich im Berichtsjahr 2005 Rot-Grün und Schwarz-Gelb die Verantwortung für die Finanzmisere teilten. Rechnungshofs-Chefin Scholle weigerte sich denn auch, ein klares Urteil über die Arbeit des neuen Finanzministers und selbst ernannten Sanierers Helmut Linssen zu fällen. „Linssen hat sich mit seinem Sparhaushalt nicht viele Freunde gemacht“, sagte sie.

Linssen mag diese Aussage als Lob deuten – die Opposition nutzte den Bericht hingegen, um dem Minister Halbherzigkeit vorzuwerfen. „Er macht das Gegenteil von Konsolidierung“, sagte der grüne Finanzpolitiker Rüdiger Sagel. Linssen werde die Schulden bis zum Jahr 2010 sogar auf 140 Milliarden Euro treiben, sagte er. „Damit hätte er in nur fünf Jahren 25 Prozent der Gesamtschulden des Landes eingefahren.“

Aus Sicht der Landesregierung geht die steigende Verschuldung jedoch noch immer auf das Konto ihrer Vorgänger. In „schonungsloser Offenheit“ habe der LRH-Bericht das „finanzpolitische Desaster“ von Rot-Grün dargelegt, erklärte der CDU-Haushaltsexperte Wolfgang Hüsken. Sein SPD-Konterpart Stephan Gatter verwies hingegen darauf, dass Linssen mit seinem Sparkurs wichtige soziale Strukturen zerschlage und so Folgekosten verursache. „Es gilt nicht, dass Linssen noch immer mit dem Argument von 39 Jahren rot-grüner Misswirtschaft Politik macht“, sagte er.

Abseits des rituellen Schlagabtauschs der Parteien sehen Prüfer und Experten vor allem in den steigenden Ausgaben für Pensionen und Renten die größte Gefahr für den Landeshaushalt. „NRW ist bundesweit berühmt für seine alten Hochschullehrer“, sagte der Dresdner Finanzwissenschaftler Helmut Seitz der taz. Die Beamten seien „in der Euphorie der 70er Jahre unter Willy Brandt“ eingestellt worden, so Seitz.

In den kommenden Jahren verabschiedet sich daher eine teure Alterskohorte in den Ruhestand: Während es in diesem Jahr „nur“ etwa 2.500 Landesbedienstete sind, steigt die Zahl bis zum Jahr 2019 auf über 14.400. Seitz fordert deshalb Pensionsrückstellungen, wie sie Sachsen und Rheinland-Pfalz bereits gebildet haben. Allerdings glaubt auch er nicht daran, dass sich der Schuldenberg schnell abbauen lässt: „Eine Viagra-Pille für den Haushalt ist noch nicht erfunden.“