Tödlicher Fabrikbrand: Anklage in Abwesenheit

BANGLADESCH Ein Jahr nach einem Fabrikbrand mit 112 Toten werden nun die Firmenbesitzer angeklagt

Überlebende des Brands berichteten, dass die Ausgänge verschlossen waren

BERLIN taz | Mehr als ein Jahr nach einem verheerenden Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch ist Anklage gegen die Besitzer erhoben worden. Unter den Angeklagten sind das Besitzer-Ehepaar, Delwar Hossain und Mahmuda Akhter, die allerdings seit dem Brand verschwunden sind. Außerdem werden elf Wachleute und Manager sich ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung verantworten müssen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Von ihnen wurden sieben festgenommen, von den anderen fehlt jede Spur.

Bei dem Brand in der Textilfabrik Tazreen Fashions in einem Vorort der Hauptstadt Dhaka waren im November vergangenen Jahres 112 Menschen gestorben, die meisten von ihnen Frauen. Die Fabrik hatte unter anderem für die Bekleidungskette C&A, die US-Supermarktkette Walmart und den deutschen Discounter Kik produziert.

Die Überlebenden berichteten, dass Aufseher den Feueralarm als Übung abgetan hatten und Fluchtwege verschlossen gewesen waren. Viele sprangen aus dem Fenster, um sich zu retten. Die Ermittlungen zeigten später außerdem, dass es für das neunstöckige Gebäude nur eine Genehmigung für drei Etagen gegeben hatte. Auch das Brandschutzzertifikat des Gebäudes war eine halbes Jahr zuvor abgelaufen. Eine Untersuchungskommission empfahl, Besitzer und Manager vor Gericht zu stellen. Seitdem sind mehrere Angeklagte nicht mehr zu finden.

Arbeitsbedingungen in Textilfabriken Bangladeschs sind berüchtigt, regelmäßig gibt es Brände. Insgesamt sind seit 2006 in bangladeschischen Textilfabriken mehr als 470 Menschen gestorben. Fünf Monate nach dem Brand bei Tazreen Fashions stürzte zudem das Fabrikgebäude Rana Plaza ein. Dabei starben mehr als 1.100 Menschen, mehr als doppelt so viele wurden verletzt. Unter dem öffentlichen Druck unterzeichneten zahlreiche Bekleidungsfirmen ein Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz in den Fabriken. Gewerkschafter hatten ein solches Abkommen schon seit mehreren Jahren gefordert.

Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Produzent von Textilien weltweit. Die Branche beschäftigt fast vier Millionen Menschen, überwiegend Frauen. Die Fabriken produzieren rund 80 Prozent aller Exporte des Landes. Zu unsicheren Fabriken kommen besonders ausbeuterische Arbeitsbedingungen. Der kürzlich angehobene Mindestlohn, einer der niedrigsten weltweit, sieht rund 50 Euro monatlich für ungelernte Helferinnen und 64 Euro für gelernte Näherinnen vor. Viele Arbeiter werden regelmäßig zu 14-stündigen Schichten verpflichtet. In den meisten Fabriken haben die Arbeiter meist nur zwei Tage im Monat frei. LALON SANDER