Urteil unter Vorbehalt

KIRCHWEYHE-PROZESS

Vor dem Landgericht Verden ist am Mittwoch der Prozess um den Tod des 25-jährigen Lackierers Daniel S. zu Ende gegangen: In der Nacht vom 10. März vergangenen Jahres war der junge Mann auf dem Heimweg von der Disco in Kirchweyhe mit Tritten und Schlägen umgebracht worden. Er war in einen Streit geraten, möglicherweise wollte er ihn schlichten.

Die Jugendstrafkammer sah es als erwiesen an, dass der mittlerweile 21-jährige Cihan A. der Täter war. Sie hätte die Tat auch als Mord bewerten können. Das hatte die Nebenklage gefordert, aber anschließend auch für plausibel befunden, wie das Gericht zu seiner Einschätzung gekommen war: Es verurteilte A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Und weil Cihan A. nicht nur etwas matt gekachelt, sondern für jeden erkennbar reifeverzögert ist, hatte es nach Jugendgerichtsgesetz das Strafmaß auf fünf Jahre und neun Monate festgelegt. Die Mutter des Opfers bezeichnete das Urteil als „überraschend hart“.

Dass nun die Verteidiger Martin Stucke und Jürgen Meyer ankündigen, Revision einzulegen, ist politisch vielleicht unklug: Rassistische Organisationen und neonazistische Parteien hatten versucht, den Todesfall für ihre Anliegen zu funktionalisieren. Und solche Bestrebungen könnten durchaus wieder aufflackern, schaut man sich die zahlreichen Hetzposts an, mit denen auf Berichterstattung zum Urteil reagiert wird.

Juristisch ist die Revision aber fast zwingend: Die Verteidiger hatten Freispruch gefordert. Cihan A., am Streit beteiligt, hatte in Vernehmungen von einem anderen Haupttäter gesprochen – ohne dessen Namen anzugeben. Und ein ganz widerspruchsfreies Bild vom Tathergang ließ sich aus den Schilderungen der Zeugen nicht rekonstruieren. Die meisten von ihnen waren alkoholisiert gewesen. Viele hatten für junge Menschen ungewöhnlich große Erinnerungslücken. Der Bundesgerichtshof wird nun entscheiden müssen, ob die Kammer das Puzzle korrekt zusammengefügt hat.  BES