Die Unparteiischen (4): Peter Hanisch, Präsident des Landessportbundes
: Finden Kids Sportvereine nicht „total uncool“?

Am 17. September wird gewählt. Die wirklichen Fragen hat die Politik ausgeklammert. Die taz stellt sie – und lässt Unparteiische antworten.

Harte Zahlen sprechen ihre eigene Sprache. Von 1996 bis 2006 hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Berliner Vereinen von 144.000 auf 157.000 erhöht. Dies, obwohl in den entsprechenden Altersgruppen der Bevölkerung ein Rückgang von 100.000 Personen zu verzeichnen war. Bei den Schülerjahrgängen sind heute 43 Prozent Mitglied in einem Sportverein,

„Uncool“ sind die, die abseits stehen. Der Vereinssport ist angesagt wie nie. Dabei muss es gar nicht Wettkampfsport sein, wenngleich das Kräftemessen bei Kindern und Jugendlichen vergleichsweise hoch im Kurs steht. Mit 550.000 Mitgliedern insgesamt erhebt der Berliner Vereinssport Anspruch, als größte Bürgerinitiative der Stadt zu gelten. Sorgen macht nicht der Nachschub an Jungmitgliedern, sondern die Aufrechterhaltung qualifizierter Betreuung.

Da kommt die Politik ins Spiel. Die öffentliche Sportförderung ist seit Jahren rückläufig. Wo möglich, haben Vereine durch eigenes Engagement für Ausgleich gesorgt. Manche bezirkliche Sportstätte wurden in Vereinsregie übernommen, die Eigenfinanzierung durch Einwerben von Drittmitteln und maßvolle Anhebung der Mitgliedsbeiträge verbessert. Wer Jugendliche weg von Straße und Bildschirmen holen will, kann an dieser Schraube aber nicht endlos drehen.

Der aufgelaufene Sanierungsstau bei Turnhallen, Sportplätzen und insbesondere Schwimmbädern verträgt längst kein Warten mehr. Sportler in maroden Anlagen wollen eine Perspektive, dass irgendwann alles wieder besser wird. Nur dann finden sich auch weiter Freiwillige, um unbezahlt Verantwortung für Sportbetrieb oder Jugendabteilung zu übernehmen. Gedankenspiele zur Einführung von Sportstätten-Nutzungsgebühren in Berlin waren schon immer kontraproduktiv. Die sozial- und gesundheitspolitischen Wohltaten des Vereinssports sind nicht voraussetzungslos.

Auch Sportler sind Steuerzahler, nicht Almosenempfänger des Staates. Sport ist eine Veranstaltung aus dem Zentrum des Gemeinwesens, die besonders Randgruppen zugutekommt. Der Senat kann durch Gewährleistung der Rahmenbedingungen ein Zeichen setzen, dass bürgerschaftliches Engagement tatsächlich geschätzt und gewollt ist.

Viele für Berlin existenzielle Fragen sind inzwischen nicht mehr allein auf Landesebene lösen. Über den Fortbestand des Wettmonopols mit seinen Segnungen auch für den Sport wie über die künftige Definition der Gemeinnützigkeit in der Abgabenordnung wird im Bund und bei der EU entschieden. Doch die Landesregierung hat Möglichkeiten des Einwirkens. Wo langjährig gewollte steuerliche Ermäßigungen für gemeinnützige Organisationen plötzlich zur „Privilegierung“ umgedeutet werden – wie unlängst in einem Auftragsgutachten des Bundesfinanzministeriums –, muss man lautstarken Widerspruch des Berliner Senats erwarten. Insofern wünscht sich der Sport eine entschlussfreudige, tatkräftige und stimmgewaltige Landesregierung, mit großem Herz für Glanzlichtveranstaltungen wie für den kleinen Vereinssport. PETER HANISCH

Morgen: Ist soziale Ökonomie etwas für Traumtänzer? Es antwortet: Günther Lorenz vom Technologie-Netzwerk