Hahaha, Hannover

UNTEN Die 96er schlittern nach der 0:3-Niederlage im Niedersachsenderby gegen Braunschweig in eine veritable Krise, die sich noch weiter verschärfen könnte

Präsident Kind wütet in der Kabine – und schadet damit dem Ansehen von Trainer Korkut

AUS HANNOVER CHRISTIAN OTTO

Die Scherben und der Dreck, die am Tag danach im heimischen Stadion beiseitegeschafft werden mussten, rundeten ein Bild des Jammers ab. Das Niedersachsenderby bei Eintracht Braunschweig mit 0:3 verloren und ein handfester Streit mit den eigenen Fans: Bei Hannover 96, das tief in den Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga abgerutscht ist, liegen die Nerven fast aller Beteiligten blank. „Uns fehlt einfach die breite Brust. Ich kann die Enttäuschung der Fans verstehen“, sagte Torhüter Ron-Robert Zieler. Aber der Versuch, sich mit dem eigenen Anhang nach der Derbypleite konstruktiv auszutauschen, misslang gründlich. Hannover 96 ist bundesweit als jener Verein in die Schlagzeilen gerückt, dessen Fans mit Eiern, Flaschen und sogar Böllern nach der eigenen Mannschaft sowie Trainer Tayfun Korkut werfen.

Wie gefährlich die Lage für den 13. der Tabelle wirklich ist, darüber muss vor allem Martin Kind befinden. Der Präsident von Hannover 96 hatte sich um den Jahreswechsel entschlossen, den erfolglosen Cheftrainer Mirko Slomka durch den in der Bundesliga völlig unerfahrenen Korkut zu ersetzen. Nach vier Niederlagen in Serie mit zum Teil leidenschaftslosen Auftritten darf festgehalten werden, dass der Abwärtstrend nicht gestoppt werden konnte. „Die Situation ist den Spielern anscheinend noch nicht bewusst“, befürchtet Kind. Er versucht beharrlich, Korkut den Rücken zu stärken und die Mannschaft in die Pflicht zu nehmen. Auf der anderen Seite bemühen sich die Entscheider des Vereins, sich nicht vom Frust gewaltbereiter Fans treiben zu lassen. „Aktionismus hilft auch nicht“, findet Manager Dirk Dufner. Seine Entlassung wird offenbar gefordert, weil er die Bedeutung des Derbys gegen Braunschweig relativiert hatte. Den Rücktritt von Kind wünschen sich in erster Linie jene Fans, die wegen dessen strikter Sicherheitskonzepte ohnehin schon ein sehr angespanntes Verhältnis zum Präsidenten pflegen.

Die Kluft zwischen Fans, Spielern und Vereinsführung, die am Sonntagabend nach der Rückkehr der Mannschaft aus Braunschweig offensichtlich geworden ist, verstärkt die Angst im Abstiegskampf. Angesichts von lediglich fünf gewonnenen Punkten aus den vergangenen zehn Spielen sind selbst gestandenen Spielern wie Kapitän Lars Stindl das nötige Selbstvertrauen und der geforderte Elan abhandengekommen. Trauriger Tiefpunkt der Verunsicherung war der Platzverweis für Andre Hoffmann. Der eigentlich sehr besonnene Innenverteidiger hatte sich im Derby einen Tritt gegen Mirko Boland erlaubt, obwohl das Spiel gerade unterbrochen war. Aufsteiger Braunschweig hingegen macht als tapferes Schlusslicht vor, wie man mit Einsatzwillen und hausgemachter Euphorie den Abstiegssorgen begegnet.

In der Kette der Ungereimtheiten bei Hannover 96 tritt ausgerechnet der Cheftrainer als schwächstes Glied auf. Korkut wirkte verunsichert und angeschlagen, als er am Sonntag erst den Medienvertretern und dann den 96er Fans allen Ernstes erklären wollte, dass seine Mannschaft „alles versucht und kein Problem mit der Einstellung hat“. Dass, wie öffentlich wurde, der wütende Präsident Kind während der Halbzeitpause im Niedersachsenderby den Gang in die Umkleidekabine angetreten hatte, hat dem Ansehen des Trainers in der öffentlichen Wahrnehmung geschadet. Das Risiko, mit einem Bundesliga-Novizen im Abstiegskampf zu scheitern, bleibt aus Sicht der Vereinsführung aber überschaubar. Kind sprach Korkut am Montag erneut das Vertrauen aus. Wenn sich Hannover 96 am Samstag mit dem HSV duelliert, kehrt ausgerechnet Slomka als aktueller HSV-Trainer nach Hannover zurück. Auch ihn hatte Kind über Wochen trotz Mangel an Erfolg glauben lassen, dass er der richtige Mann für eine Trendwende sei – ehe er den zunächst als Slomkas Kotrainer auserkorenen Korkut zum neuen Cheftrainer beförderte. Ob die Mannschaft verkrampft oder die anspruchsvollen Vorgaben von Korkut nicht versteht, das ist die Frage.