Entdeckungen der Venus, Abenteuer des Phallus

BÜCHER 40 Jahre alt wird die Edition Nautilus aus Hamburg. Am Dienstag wurde auf der Verbrecherversammlung gefeiert. Man zeigte legendäre Flugschriften zu Erotik und Kommunismus und erzählte Anekdoten. Dann lasen Abbas Khider und Deniz Yücel

Veröffentlicht wird ein Buch nur, wenn es von allen fünf MitarbeiterInnen ein Ja gibt

VON JULIA BRUMMERT

Nur selten darf man in einer Bar noch rauchen. Bei der Verbrecherversammlung in der Fahimi-Bar in Kreuzberg ist es erlaubt. Und irgendwie passt das zur Atmosphäre dieser Treffen, die vom Verbrecher Verlag zweimal im Monat veranstaltet werden, um neue Bücher vorzustellen und überhaupt einen schönen Abend zu haben.

Die Verbrecherversammlung am Dienstag widmete sich den FreundInnen der Hamburger Edition Nautilus. Die feierte am 1. April 2014 ihr 40-jähriges Bestehen. Lektorin Katharina Picanet und ihre Namensvetterin und für die Pressearbeit des Verlags verantwortliche Katharina Florian waren aus Hamburg angereist, um aus dem Nähkästchen des Verlagsalltags zu plaudern.

Die Edition Nautilus wurde von Hanna Mittelstädt, Lutz Schulenburg und Pierre Gallissaires gegründet. Unter dem Namen „MAD-Materialien, Analysen, Dokumente“ veröffentlichte der Verlag anfangs vor allem linke Flugschriften. Später kamen Biografien, Belletristik und auch Krimis dazu. Eine Werkausgabe von Franz Jung trieb den Verlag beinahe in den Ruin, wie Picanet und Florian am Dienstag erzählten.

Eine alte Ausgabe der legendären Flugschriften hatten die beiden mitgebracht: Der Titel „Feminismus oder Erotik: Die Entdeckungen der Venus und das Abenteuer des Phallus innerhalb der Bewegung des Kommunismus“ von Constance Chatterley (1976) sorgte für lautes Gelächter im Publikum. Dieses Werk wurde noch vom MAD-Verlag veröffentlicht. Nach einer Klage des gleichnamigen Satiremagazins musste der sich aber einen neuen Namen suchen. Die Wahl fiel auf Edition Nautilus, was laut Florian und Picanet oftmals für Verwirrung sorgt. Nachfragen nach Veröffentlichungen von Seefahrerliteratur oder Schifffahrtskarten kommen durchaus vor, sagte Picanet.

Seekarten gibt es nicht, dafür gehören bis heute die Flugschriften zum festen Programm der Edition Nautilus. taz-Redakteur Deniz Yücel hat in dieser Reihe ein Buch über die Gezi-Bewegung in der Türkei geschrieben („Taksim ist überall“) und am Dienstag daraus vorgelesen. Auch der Schriftsteller Abbas Khider war zur Feier des Tages gekommen und las ein Kapitel aus seinem Roman „Brief in die Auberginenrepublik“. Darin schreibt ein politisch Verfolgter einen Brief aus dem Exil in Libyen an seine Geliebte im Irak. Der Brief wird unter anderem von einem Taxifahrer geschmuggelt.

Abbas Khider las sehr sympathisch und in verschiedenen Stimmlagen aus dem Kapitel über den Taxifahrer und seine Fahrgäste aus Ägypten und Syrien. Damit erklärte der Autor ganz nebenbei noch die politische Situation der arabischen Länder Ende der 1990er Jahre. Wegen des Handelsembargos gab es damals im Irak fast nur Auberginen zu essen. Khider erzählte von den kreativen Kochkünsten seiner Mutter: „Sie nennt die Auberginen entweder „Könige der Küche“ oder „Herren der Bratpfanne“.

Neben all den amüsanten Anekdoten aus dem Verlagsalltag und den Erzählungen der Autoren wurde auch eines wichtigen Gründungsmitglieds gedacht: Lutz Schulenburg ist 2013 nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Seine Arbeit hat noch immer großen Einfluss auf die Strukturen des Verlags. Dort geht es sehr demokratisch zu: Veröffentlicht wird ein Buch nur, wenn es von allen fünf MitarbeiterInnen ein Ja gibt.

Im besten Fall kommen dabei Bestseller wie Anna-Maria Schenkels Krimi „Tannöd“ oder Laurie Pennys als Flugschrift veröffentlichtes Sachbuch „Fleischmarkt“ heraus. Und mit solchen Erfolgen verkraftet der Verlag auch die aufwendige Herausgabe des Gesamtwerks von Franz Jung.