Dreiste Abzocke bei älteren Internetnutzern

Einige Webseitenbetreiber locken mit einfachen Tests – und wollen dann abkassieren. Viele lassen sich einschüchtern und zahlen die versteckten Gebühren. Müssen sie aber nicht, sagen Verbraucherschützer und wollen klagen

BERLIN taz ■ Margit Prochnow surft gern im Internet. Seit Anfang des Jahres ist die 61-jährige Berlinerin online, schreibt E-Mails oder prüft neue Angebote. Dass in ihrem Posteingang mal ein Anwaltsschreiben landet, in dem ihr strafrechtliche Konsequenzen angedroht werden, hat sie nicht für möglich gehalten.

Im Juli machte sie einen Intelligenz- und einen Gesundheitstest auf den Websiten lebenserwartung.de und iqfight.de. „Aus reiner Neugier. Ernst genommen hab ich das nicht“, sagt sie. Bis die Firma VitaActive ihr eine Rechnung über 60 Euro für zwei Internetabos zuschickte. Prochnow zahlte, obwohl sie sich hintergangen fühlte. „Von Gebühren habe ich nichts gelesen. Ich wollte aber meine Ruhe haben.“

Genau darauf spekulieren diese Firmen, sagt Ronny Jahn von der Verbraucherzentrale Berlin. „Viele denken, sie haben keine andere Möglichkeit, als zu zahlen.“ Die Internetfirma VitaActive spricht mit ihrem Angebot insbesondere ältere Menschen an. Unerfahrenheit mit PC und Internet kämen bei dieser Kundengruppe noch hinzu. Jahn rät Betroffenen, Widerspruch einzulegen (siehe Kasten). Mit der ersehnten Ruhe wurde es indes bei Margit Prochnow trotz der Zahlung nichts: Innerhalb eines Monats bekam sie zwei Mahnungen. Prochnow antwortete, bereits gezahlt zu haben. Geholfen hat das nicht: Zwei Monate später hatte sie die „letzte außergerichtliche Zahlungsaufforderung“ der Bonner Anwaltskanzlei Hoeller im Posteingang.

Die Rechnung hatte sich mittlerweile wegen Mahngebühren und Anwaltskosten verdoppelt. Doch damit nicht genug: Mit einer Anzeige wegen vorsätzlichem Betrug wurde ihr gedroht. Prochnow soll eine falsche Adresse angegeben haben, behauptet die Kanzlei Hoeller. Es werde ihr aber „letztmalig Gelegenheit gegeben, den offenen Gesamtbetrag zu überweisen“, heißt es in dem Mahnschreiben. „Da bin ich fast an die Decke gegangen“, sagt Prochnow.

Die Strategie der Betreiber ist „Einschüchterung pur“, erklärt Jahn von der Verbraucherzentrale. Die Firmen wissen, dass ihre Forderungen auf wackeligen Beinen stehen. Deswegen versuchen sie einen möglichst großen Anteil der Leute zur „freiwilligen“ Zahlung zu veranlassen, erklärt der Verbraucherschützer. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem es zu einer Klage gekommen ist.

Vanessa hat ebenfalls Post von VitaActive bekommen. Gezahlt hat sie nicht. „Die folgenden Mahnungen waren ziemlich bedrohlich“, sagt sie. Man teilte ihr mit, dass ihre IP-Nummer – die Adresse ihres Rechners – nachgewiesen werden könne. Falls sie nicht zahle, werde ein Inkassobüro eingeschaltet.

Besucher der VitaActive im Zeil 22 in Frankfurt werden enttäuscht: „Ich habe hier nie jemanden von dieser Firma gesehen“, sagt der Anwalt, der im gleichen Haus wohnt. „Hier gibt es nur einen Briefkasten.“

VitaActive betreibt neben den genannten Websites noch genealogie.de und kochrezepte-server.com. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Gebühren sind zwar in den Fußnoten veröffentlicht. Doch Jahn reicht das nicht: „Der Nutzer muss deutlich und ohne weiteres Zutun über den Preis informiert werden.“

Deswegen hat der Bundesverband Verbraucherzentrale nun Klage eingereicht. „Leider dauern die Verfahren oft einige Monate“, sagt Jahn. „So lange müssen Vanessa und Frau Prochnow noch starke Nerven beweisen.“

MAIKE BRZOSKA