TÜRKEI: DIE DEUTSCHE HUNDEHALTEVERORDNUNG DURCHSETZEN
: Hunde, wollt ihr ewig streunen?

Schon von Reisenden im 18. Jahrhundert weiß man, dass ihnen in Istanbul ein besonderes Phänomen auffiel: In der Stadt wimmelte es von streunenden Hunden. Nicht nur einzelne Exemplare, sondern ganze Rudel zogen durch die Viertel und machten manchmal schon den Gang zum Kaffeehaus zu einem gewagten Unternehmen. In periodischen Abständen versuchte man dieser Plage durch Giftkampagnen Herr zu werden; einmal, so will es die Stadtlegende, ließ der Sultan sogar sämtliche streunenden Hunde einfangen und auf einer unbewohnten Insel im Marmarameer aussetzten.

Trotz jahrelangem EU-Annäherungsprozess hat sich an diesem Problem im Grundsatz immer noch nichts geändert. Selbst in gepflegten Vierteln am Bosporus kann es vorkommen, dass man unversehens einer Hundemeute gegenübersteht – Metzgerläden werden manchmal gar von streunenden Viechern belagert. Vor allem in der Hauptstadt Ankara versuchte man im letzten Jahr mal wieder, die Hundeplage durch drakonische Maßnahmen in den Griff zu bekommen.

Doch dieses Mal sah sich die Stadtverwaltung mit ganz neuen Gegnern konfrontiert. Im Fokus der Beitrittsverhandlungen blieb ein Einschläferungsprogramm für aggressive Hundemeuten international nicht mehr unbemerkt, sondern rief diverse Tierschutzorganisationen auf den Plan. Ein Land, das Mitglied der EU werden will, kann doch wohl so nicht mit seinen Hunden umgehen. Filmprominenz rückte an, Brigitte Bardot schickte einen Protestbrief, Hundepensionen wurden ins Spiel gebracht.

Bislang hat die EU-Kommission das Problem noch sträflich ignoriert, aber dafür kommt ja nun die deutsche Präsidentschaft. Eine neue Hundehalteverordnung wäre das Mindeste, was Angela Merkel im kommenden halben Jahr in der Türkei auf den Weg bringen sollte. Auch wenn hier Präsidentschafts- und Parlamentswahlen anstehen, kann das nicht als Entschuldigung dafür herhalten, weiterhin Hunden eine wenigstens 3 Quadratmeter große Hundehütte vorzuenthalten.

Ohne Hundehalteverordnung kein EU-Beitritt der Türkei. Frau Merkel, werden Sie aktiv.

JÜRGEN GOTTSCHLICH,
ISTANBUL