Halbherzige Macho-Justiz in Mexiko

■ Todesschuß auf Vergewaltiger ist „übermäßige Gewalt“

Mexiko-Stadt (taz) – Die mexikanische „Macho-Justiz“ gibt sich frauenfreundlich: Nach genau 373 Tagen ist Claudia Rodriguez, die am 3. Februar letzten Jahres bei einem Vergewaltigungsversuch ihren Angreifer erschoß und seitdem als mutmaßliche „Mörderin“ hinter Gittern saß (s. taz vom 21.11. 1996), freigelassen worden.

Schon am vergangenen Freitag, bei der letzten Anhörung im Bezirksgefängnis von Texcoco, war die Mordanklage in „übermäßige Gewalt bei legitimer Notwehr“ umgewandelt worden. Anfang der Woche dann das Urteil: zwar kein Freispruch, wie es feministische Gruppen gefordert hatten, aber „nur“ eineinhalb Jahre Gefängnis auf Bewährung plus 12.000 Pesos (rund 2.400 Mark) „Schmerzensgeld“ für die Familie des erschossenen Fast-Vergewaltigers. In Berufung wollte die 31jährige nicht mehr gehen. „Das Urteil macht mich immer noch wütend“, sagte sie, als sie am Dienstag nachmittag weinend vor die Gefängnistore in die Freiheit trat und von einer Traube klatschender Menschen empfangen wurde. „Aber ich habe kein Vertrauen mehr. Und ich wollte endlich wieder bei meinen Kindern sein.“

Monatelang hatten mexikanische Frauenkomitees Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Mehr als 2.000 Protestschreiben und Solidaritätsbekundungen aus aller Welt sind zusammengekommen. „Natürlich ist das nur ein symbolischer Sieg“, sagt Margarita Garcia von den „Feministischen Volksverteidigerinnen“, „aber fürs erste sind wir glücklich, gezeigt zu haben, daß eine solche Mobilisierung sich lohnen kann.“ Anne Huffschmid