Verklungene Bässe in Plüsch und Acryl

■ Betty Stürmer stellt die Erinnerungen an ihre Party-Nächte zur Schau. Relikte, die einst die schönsten Berliner Tanzabende schmückten, sind im Haus am Lützowplatz zu sehen

Mal angenommen, man möchte den Zauber einer Club-Nacht konservieren, wie soll man das anstellen? Wie soll man ihn transportieren, den Rausch schöner junger Menschen im Stroboskop-Gewitter? Träumen, werden die Naivlinge sagen. Genau so abfilmen, wie man es sieht, könnte die Antwort von Pragmatikern lauten. Das muß dann etwa so enden wie die Club-Szenen in „Angel Express“, der uns zur Zeit im Kino nervt, oder wie irgendein x-beliebiger Videoclip. Also Selektion: Bewahre ein ganz bestimmtes Leibchen und erinnere dich an diese eine perfekte Tanz-Nacht, in der du es getragen hast.

So etwa geht Betty Stürmer die Club-Vergangenheit an. Mit einem Unterschied: Sie bastelt die Erinnerungsträger selbst. 1994 hölzerne T-Shirts, Shorts und Bikini-Tops, mit Plüsch überzogen. 1995 überlebensgroße Menschensilhouetten in quietschigen Acrylfarben auf Latex. Schließlich 1996/1997 Umrisse eines Mannes bei Stretching-Übungen, weiß auf glänzend schwarz, als Wandschmuck im SO 36.

Betty Stürmer ist seit einem knappen Jahrzehnt Dekorateurin von Tanznächten. Im Haus am Lützowplatz kann man Relikte dieser Nächte anschauen. Der Name der Werkschau: „betty – all kinds of wild style!“. Die These: Dekoration ist Installation ist Kunst. Nämlich Party-Deco-Art, laut Betty Stürmer „ein 3er-Block, drei Teile, die miteinander kommunizieren, die Musik (vom DJ), die Leute, die Deko. Das alles gehört zusammen und ergibt erst dann einen Sinn, Inhalt, Erlebnis, Gemeinsames.“

Schade, daß da in der Galerie der Bezug zu Mensch und Tanzmusik nicht hergestellt wird. Es gibt keine Ortsangaben und auch keine Fotos von den Happenings. Besonders der Bezug zu „DJ Everybody“ fehlt, dem Partydauerbrenner, bei dem jeder Gast seine eigenen Platten auflegen durfte. Um die Verquickung von Clubkultur und Deko-Überbleibseln zu verstehen, muß der Besucher schon den Katalog aufschlagen, ein ebenso buntes wie trashiges Heft, das zwar sehr dünn ist, aber trotzdem aus irgendwelchen Gründen zwölf Mark kostet.

Den Zauber der Nächte, für die sie entworfen wurden, können die Exponate aber nur bei denen wachrufen, die damals selbst dabei waren. Für den anderen, sicher größeren Teil der Galeriebesucher ist die Ausstellung bestenfalls hübsch. Sie sollten lieber die Party zur Ausstellung besuchen. Denn für „big new feeling in the mix!“ wird Betty das Maria am Ostbahnhof schmücken und Freunde für Plattenteller und Micro mitbringen. Um Mitternacht treten die Living Madonnaz auf, der Dauer-Live-Act bei Bettys Parties. Zum Style des Abends nur soviel: Perückenträger zahlen keinen Eintritt. Stefan Schmitt

Party: Sonntag ab 22.00 Uhr: „big new feeling in the mix!“ mit everybody‘s favorites und allstars im Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8 – 10, Friedrichshain. Ausstellung: Noch bis zum 25. 4. im Haus am Lützowplatz 9, Tiergarten, Di – So 11 – 18 Uhr.