Der Norden dreht die Heizung ab

Hamburgs Bürgermeister von Beust hat den Klimaschutz zur Chefsache gemacht. Jetzt muss er zeigen, dass er mehr tut als die Nachbarländer. Das ist nicht leicht, denn auch dort laufen Programme

Von Gernot Knödler
und Sven-Michael Veit

Al Gores Buch zum Klimawandel hat Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vom Saulus zum Paulus gemacht. Der Hamburger Morgenpost gegenüber begründete er mit diesem Damaskus-Erlebnis eine Wende seiner Politik, die vorerst nur in einem Versprechen besteht: Er will nicht mehr nur das klimapolitische Erbe seiner Stadt pflegen, sondern binnen drei bis fünf Monaten ein Gesamtkonzept zum Klimaschutz vorlegen. Soll Hamburg zur Hauptstadt des Klimaschutzes werden, muss er kräftig vorlegen, denn auch die anderen Nord-Länder betreiben Klimaschutz nicht erst seit gestern.

Von Beust steht in der Pflicht: Immerhin soll er als neuer Leiter der Umweltkommission der Bundes-CDU diese auf den Pfad der Ökologie bringen. Vorige Woche proklamierte er passend zum neuen UN-Klimaforschungsberichts des IPCC eine Energiewende im Wohnungsbau. Er präsentierte ein staatlich unterstütztes Programm der öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbaugesellschaften zur energieeffizienten Modernisierung ihrer Wohnungen. Dumm nur, dass das von den Unternehmen bereits verkündet worden war. Aber ab sofort, kündigte von Beust an, werde der Klimaschutz „ein Schwerpunkt der Senatspolitik“ sein.

Die Umweltverbände sehen das mit Skepsis. In fünf Jahren CDU-Senat seien „keine nennenswerten Initiativen“ ergriffen worden, ein Haushaltstitel zum Klimaschutz wurde erst im Dezember im Doppelhaushalt 2007/08 um 20 Prozent gekürzt. Die oppositionellen Grünen wollen jetzt in jeder Bürgerschaftssitzung einen ihrer umweltpolitischen Anträge erneut einbringen, der im vorigen Jahr von der CDU-Mehrheit niedergestimmt wurde. Gestern Abend wurde ihr Vorschlag eines Tempolimits auf Straßen zum zweiten Mal von der CDU abgelehnt.

Deren Argumentation ähnelt der von Schleswig-Holsteins Umweltminister Christian von Boetticher (CDU). „Isolierte Einzelforderungen bringen uns nicht weiter“, befindet dieser, erforderlich sei „ein Masterplan“. Auf Basis der vielen vorliegenden einzelnen Analysen müssten die eingeleiteten oder denkbaren Maßnahmen zum Klimaschutz „auch in ihrer Wechselwirkung bewertet“ und auf ihre ökologischen und wirtschaftlichen Folgen abgeklopft werden.

Taktisch geschickt versucht derweil der christdemokratische Koalitionspartner SPD, eine eigene Umweltpolitik für die europäische Ebene zu inszenieren. Ihr Europa-Abgeordneter Willi Piecyk ließ sich zum Berichterstatter des EU-Parlaments für das Meeresgrünbuch der EU-Kommission wählen. Als umweltpolitischer Chefparlamentarier will er dafür sorgen, dass Nord- und Ostsee zu ökologischen Modellregionen der EU werden.

Und der Kieler Europaminister Uwe Döring (SPD) legte gestern die Stellungnahme des Landes zum Meeresgrünbuch vor, in der ein „konkreter Aktionsplan“ eingefordert wird. Wesentliche Punkte sind die verstärkte Förderung der Offshore-Windenergie und der noch neuen Technologie der Wellenkraftwerke. Zurzeit erzeugt Schleswig.-Holsteins ein Viertel seines Strombedarfs durch Windkraft, das einst von Rot-Grün ausgegebene Ziel, bis 2020 diesen Anteil zu verdoppeln, hat auch die seit zwei Jahren regierende große Koalition übernommen.

Auch im Stadtstaat Bremen kann sich die Windenergienutzung im Gegensatz zu Hamburg sehen lassen. 44 Windräder mit einer Gesamtleistung von 50 Megawatt versorgten dort 2005 rund 32.000 Haushalte. Gerade habe der Senat beschlossen, noch einmal soviel Leistung installieren zu lassen, sagt Holger Bruns, der Sprecher der Umweltbehörde. Zusammen mit einem kürzlich planfestgestellten Wasserkraftwerk am Weserwehr werde bis 2010 jeder dritte Bremer Haushalt mit regenerativ erzeugtem Strom versorgt sein. Mecklenburg-Vorpommern deckte 2005 zehn Prozent seines Primärenergiebedarfs aus Biomasse. Der Bremer Senat bereitet überdies den Ausbau des Straßenbahnnetzes vor. Bis 2012 sollen 30 Kilometer hinzukommen und vor allem das Umland besser mit der Stadt verbinden.

Niedersachsens FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander setzt wie seine Hamburger CDU Kollegen auf technische Lösungen: Die Brennstoffzelle in Verbindung mit Wasserstoff als Energiespeicher hat es ihnen angetan. Sander wie sein Ministerpräsident Christian Wulff, aber auch Ole von Beust lassen es nicht an Hinweisen fehlen, dass sich mit Atomenergie prima CO2 sparen lasse.

Niedersachsen will 2007 ein Förderprogramm zur energetischen Modernisierung von Wohnungen auflegen. Der Hamburger Senat ist hier seit Jahren mit Geld wie mit Beratung aktiv.