Neuzugang auf Pump

Einerseits sei es ja „business as usual“, sagt Christian Heidel, Manager von Mainz 05, über den Wechsel von Nicolai Müller zum Hamburger SV. Das Verkaufen der besten Spieler gehört zum Geschäftsmodell der Mainzer: Dadurch – und durch den Bau des neuen Stadions – konnte man sich zu einem konkurrenzfähigen Bundesligisten entwickeln. Aus eigener Kraft also.

Andererseits, so hat Heidel ausgerechnet, erwirtschaftete Mainz 05 in den letzten drei Jahren 20 Millionen Euro Gewinn – während der HSV in dieser Zeit 20 Millionen Euro Verlust gemacht hat. Nur durch ein Darlehen des Investors Klaus-Michael Kühne können die Hamburger 4,5 Millionen Euro Ablösesumme und Müllers Gehalt aufbringen. Nach der kommenden Saison wäre der 26-Jährige ablösefrei zu haben gewesen, in Hamburg unterschrieb er nun einen lukrativen Vierjahresvertrag.

Der HSV hat zuletzt nur über die Relegation den Verbleib in der ersten Liga geschafft, Mainz wurde Siebter. Da klingt es seltsam, wenn Müller nach seiner Ankunft in Hamburg erklärt: „Für mich ist es der nächste Schritt zu einem größeren Verein. Ich möchte mich weiter durchsetzen und stabilisieren.“ Die Hamburger wiederum schmeißen nicht zum ersten Mal mit Kühne’schem Geld auf dem Transfermarkt um sich – aber diesmal könnte dem neuen Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer ein guter Griff gelungen sein. In Mainz hat sich Müller unter Trainer Thomas Tuchel zu einem der besten Rechtsaußen der Liga gemausert. Der 26-Jährige ist robuster und torgefährlicher geworden, für Mainz ist sein Weggang sportlich ein großer Verlust.

Nicht nur in Mainz allerdings wird so mancher Kopf geschüttelt über Müllers Wechsel und die neue – geborgte – Finanzkraft des HSV. So erklärte etwa Werder Bremens Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer noch vor einer Woche: Wer vernünftig wirtschaften könne, brauche keine Mäzene. Was ihn freilich nicht daran hinderte, vor zwei Tagen zu sagen: „Je mehr es Vereine wie zum Beispiel Red Bull Leipzig gibt, die über einen Gesamtinvestor verfügen, wird ein Verein wie Werder das auf Sicht nicht anders machen können.“

Auch Thomas Schaaf, Trainer von Eintracht Frankfurt, staunte, wie „schnell Verhältnisse verschoben werden“. Die Eintracht kann sich seit Jahren keine größeren Sprünge leisten, weil man den Lizenzspieleretat von derzeit 32 Millionen Euro kaum erhöhen kann – und das bei einem Zuschauerschnitt von fast 50.000 pro Heimspiel. „Manchmal denkt man schon, es wäre ja nicht schlecht“, gibt Schaaf ehrlich zu, „wenn so einer wie Kühne auch bei uns mal um die Ecke käme.“  TOBIAS SCHÄCHTER