Zahngold aus der Asche geklaubt

JUSTIZ Der Mitarbeiter eines Krematoriums sammelte über die Jahre 31 Kilo Edelmetall von Eingeäscherten und verkaufte es. Er muss Schadenersatz von 255.000 Euro zahlen

BERLIN taz | Beschäftigte in Krematorien dürfen nicht einfach Edelmetallrückstände aus der Asche an sich nehmen.Tun sie das, kann der Arbeitgeber Schadenersatz von ihnen verlangen. Dies geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Donnerstag hervor. Der Beschäftigte ist zum Schadenersatz „verpflichtet“, wie es in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt.

Der Beklagte Walter L. war als Bediener der Einäscherungsanlage und als Bürokraft bis zum Oktober 2011 im Krematorium Hamburg-Öjendorf beschäftigt. Er hatte über acht Jahre hinweg mit Kollegen Zahngold und anderes Edelmetall aus der Asche von Verstorbenen geklaubt und mithilfe seiner Lebensgefährtin weiterverkauft.

Das Krematorium klagte auf Schadenersatz. L. soll nach dem Willen seines Arbeitgebers rund 255.000 Euro Schadenersatz nebst Zinsen an das Krematorium bezahlen. Insgesamt handelte es sich um 31 Kilogramm Edelmetall.

Das Arbeitsgericht Hamburg bestätigte in erster Instanz zwar die Entlassung von Walter L., kam aber zu dem Schluss, dass das Krematorium keinen Schadenersatzanspruch geltend machen könne, da es durch die Einäscherung keinen Eigentumsanspruch an dem Zahngold erwerbe.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg urteilte in zweiter Instanz und verneinte auch den Eigentumsanspruch des Krematoriums. Es entschied aber, dass der Bestatter gegenüber seinem Arbeitgeber eine „Herausgabepflicht“ hinsichtlich aller Materialien habe, die zu seinem Job gehören, darunter auch das Zahngold. Der Mitarbeiter müsse daher Schadenersatz zahlen.

Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Anspruch auf Schadenersatz grundsätzlich bestätigt, jedoch das Verfahren an das Landesarbeitsgericht Hamburg zurückverwiesen. Es könne derzeit nicht entschieden werden, wem genau der Schadenersatz zustehe, da es einen Betreiberwechsel im Krematorium gab.

Das Verfahren wirft ein Licht auf die Praxis in manchen Krematorien, die Metallreste aus Zähnen, Prothesen oder Schmuckstücken der Eingeäscherten nicht mitzubestatten, sondern selbst einzubehalten, meist ohne Rücksprache mit den Angehörigen, und den Erlös daraus entweder an wohltätige Organisationen zu spenden oder für eigene Friedhofsbelange zu verwenden. In Hamburg wurde der Erlös aus dem Zahngold an die Kinderkrebshilfe gespendet.

Das Krematorium Hamburg hat die Praxis jetzt geändert: Es sagt den Angehörigen inzwischen auf der Website zu, dass das Zahngold und andere Edelmetalle in der Urne mitbestattet werden.

Manche Krematorien verfolgen heute auch die Praxis, die Angehörigen entscheiden zu lassen. Sie können schriftlich erklären, ob die Edelmetalle mitbeigesetzt, gespendet oder ihnen ausgehändigt werden, sagt Alexander Helbach, Sprecher der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas.

BARBARA DRIBBUSCH