Doch nicht ganz alleingelassen

VBB Der Begleitservice für mobilitätseingeschränkte Menschen wird gut nachgefragt, erhält aber immer weniger Mittel. Immerhin: Das endgültige Aus ist vorerst abgewendet

Wenn Mitarbeiter ausscheiden müssen, geht nicht nur deren Arbeitskraft verloren, sondern auch das spezielle Know-how – etwa im Umgang mit Rollstühlen

VON HEINRICH DUBEL

Der Begleitservice für mobilitätseingeschränkte Menschen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) ist fürs Erste gerettet und wird weitergeführt. Das hat nach Informationen der taz die Verwaltung von Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) am Donnerstag entschieden. Lange hatte es ausgesehen, als würde das ohnehin schon eingeschränkte Angebot zum Oktober gänzlich eingestellt.

Bei dem VBB-Begleitservice, der im vergangenen Jahr sein fünfjähriges Bestehen beging, handelt es sich um ein überaus erfolgreiches Angebot für bewegungseingeschränkte Menschen wie Blinde, Rollstuhlfahrer oder kinderreiche Personen. Zwischen 160 und 200 Anfragen gehen täglich in der Zentrale ein, durchschnittlich 1.200 Einsätze werden monatlich durchgeführt. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem. Der kostenlose Service hat auch eine über Berlin hinausgehende Vorbildfunktion: Brandenburg an der Havel, Cottbus, Hannover, Frankfurt/Main und Leipzig haben bereits ähnliche Dienste aufgebaut.

Schon 2012 stand der Service jedoch auf der Kippe und wurde für zwei Monate komplett eingestellt. In Verhandlungen zwischen Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD), der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit und den Jobcentern der Bezirke konnte jedoch noch einmal eine Lösung auf der Basis eines geringeren Budgets gefunden werden.

Um 16 Uhr ist Schluss

Seitdem hat sich das Angebot deutlich verschlechtert: Zuerst wurde der Verfügbarkeitszeitraum des Service von 8 bis 22 Uhr auf 8 bis 18 Uhr verkürzt (montags bis freitags), seit ein paar Monaten ist schon um 16 Uhr Schluss. Aber auch der Personalstand hat sich verringert: Von 80 Mitarbeitern mussten 50 gehen, weil ihre Verträge nicht verlängert werden konnten. Bezahlt werden sie größtenteils über ein Arbeitsmarktinstrument der Jobcenter, die sogenannte Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV). Die Jobcenter sind aber daran interessiert, ihre Kunden auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen – die Vermittlung in den zweiten Arbeitsmarkt, zu dem die Beschäftigung beim Begleitservice zählt, soll daher zurückgefahren werden. Die Bezirke wollen die begrenzt verfügbaren Stellen, die durch die FAV finanziert werden, in den Bezirken behalten, etwa für Sozialarbeit oder Kindergärten.

Mit den freigestellten Mitarbeitern geht nicht nur die Arbeitskraft verloren, sondern auch das spezielle Know-how, das etwa für den Umgang mit Rollstuhlfahrern notwendig ist.

Aus Sicht der Nutzer wäre es wünschenswert, die gesamte Struktur des Begleitservice von einer provisorischen in eine permanente, dauerhaft finanzierte Unternehmung zu überführen. Als Vorbild könnte etwa der Sonderfahrdienst gelten, ein Transportangebot für schwerbehinderte Menschen, das vom Versorgungsamt und der Berliner Taxi-Innung betreiben wird. Zur Teilnahme an dem Fahrdienst, der mit speziellen Großraumtransportern durchgeführt wird, berechtigt eine Magnetkarte, die das Versorgungsamt an Menschen mit Schwerbehindertenausweis ausgibt. Pro Fahrt wird ein geringer Beitrag erhoben.

Überlegungen, dem VBB-Begleitservice eine ähnliche Organisationsform zu verpassen, deren Arbeitsverhältnisse dem ersten Arbeitsmarkt zuzuordnen sind, gibt es jedoch nicht – stattdessen verfolgte man die Strategie, dass es die Fördermittelpolitik mal wieder im letzten Augenblick richtet. Das sorgte für deutliche Kritik, unter anderem vom Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Jürgen Schneider, dessen Büro bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales angesiedelt ist.