Hilfe, auf den eigenen Beinen zu stehen

PRÄVENTION Mit der „600 Leben“-Aktion rührt man zum Welt-Suizid-Präventionstag an ein Tabuthema

Vor dem Brandenburger Tor fallen Punkt 14 Uhr etwa 200 Personen zu Boden und verharren bewegungslos auf dem Rücken. Mit dieser Aktion auf dem Pariser Platz beteiligen sich am Dienstag elf Berliner Sozialeinrichtungen und Engagierte am Welt-Suizid-Präventionstag. Aufmerksamkeit soll mit dieser „600 Leben“-Aktion geschaffen werden. „Das Thema Suizid bekommt in unserer Gesellschaft kein Gehör. Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt Christina Obermüller, Leiterin der Onlineberatungsstelle für junge Menschen [U 25] Berlin vom Deutschen Caritasverband.

Jährlich nehmen sich in Deutschland 600 Menschen unter 25 Jahren das Leben. 10.000 Selbsttötungen sind es insgesamt. Das sind mehr Menschen, als durch Verkehrsunfälle, Drogen und Totschlag zusammen ums Leben kommen.

Inmitten der Menschendecke auf dem Pariser Platz liegt auch Steffi. „Vor einigen Jahren brauchte ich selbst notwendige Hilfe. Es war eine extrem schwere Zeit für mich. Gerade bei sich anbahnenden Fällen braucht das Thema mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft“, sagt sie und bemängelt: „Es gibt keine öffentlichen Kampagnen zum Thema.“

An Beratung fehlt es aber nicht. Einrichtungen wie der Berliner Krisendienst (BKD) sind rund um die Uhr telefonisch erreichbar. BKD-Mitarbeiter Winfried Glatz fordert aber, mehr Foren zu schaffen. „Das Thema muss breiter gefächert werden und den Weg in kirchliche Gemeinden und Schulen finden. Es gibt eine hohe Schamschwelle, weil Menschen mit Suizidgedanken denken, es betreffe nur sie allein. Bevor sie ihre Kontakte abbrechen und zu ihrem Entschluss kommen, müssen sie den Weg zu uns finden“, sagt Glatz der taz.

Es geht um Hilfe. Symbolisch reichen die Teilnehmer der Aktion einander die Hand, bis wieder alle auf ihren eigenen Beinen stehen. JACOB TROMMER