Die Ersten gestehen

Mit Bert Dietz und Christian Henn bekennen sich erstmals zwei deutsche Radprofis zum Doping

Der Sachse Bert Dietz, 38, war von 1994 bis 1998 beim Team Telekom als Radprofi engagiert. In der ARD-Sendung „Beckmann“ berichtete er am Montagabend von geplantem Doping mit Erythropoietin (Epo) und Wachstumshormonen in dieser Zeit. Dietz, der die Rolle als Wasserträger und Gehilfe im Team bekleidete, hat auch ein paar Erfolge vorzuweisen. 1993 gewann er die Niedersachsen-Rundfahrt und die Rheinland-Pfalz-Rundfahrt. „Er vereint Leidenschaft und Nervenstärke“, wusste einst die FAZ über ihn zu berichten. Im Oktober 2000 beendete er seine aktive Karriere und wurde zweiter sportlicher Leiter im Team Nürnberger. Zurzeit führt er einen Radsport-Handel in Leipzig. TAZ

VON ANDREAS RÜTTENAUER

„So kann man das machen.“ Christian Frommert war beeindruckt vom Auftritt, den Bert Dietz, in der ARD-Sendung „Beckmann“ abgeliefert hatte. Der frühere Radprofi des Team Telekoms gestand am Montagabend vor laufender Kamera, früher leistungssteigernde Mittel genommen zu haben. Und er blieb nicht der Einzige. Gestern brach sein Mitfahrer Christian Henn das Schweigen: Er sagte gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Ich bin mit betroffen.“ Das Doping habe sich bei ihm auf die Zeit von 1995 bis zu seinem Karriere-Ende 1999 erstreckt, sagte der heutige sportliche Leiter des Gerolsteiner-Teams.

Die Aussagen bedeuten viel Arbeit für Christian Frommert. Der Unternehmenssprecher im Bereich Sponsoring bei der Telekom AG hat seit knapp einem Jahr vor allem damit zu tun, immer neue Veröffentlichungen zum Thema Doping zu kommentieren. „Das war schon beindruckend, wie sich Dietz klar und ruhig im Fernsehen präsentiert hat“, sagte er gestern. Schockiert ist er aber nicht. Auch er beobachtet, wie immer mehr zur Gewissheit wird, was ohnehin lange vermutet wurde. Und er sagt: „Wir stellen uns der Vergangenheit.“

Dabei sieht er sich und den Sponsor Telekom in erster Linie als Beobachter, nicht als handelnder Part des Dopingsystems. „Es wäre doch absurd anzunehmen, ein Sponsor würde Doping regelrecht anordnen“, so Frommert. Klar wolle man den Erfolg. Aber alle Verdächtigungen in dieser Hinsicht seien rein spekulativ. „Am Rande des Teams kann es vielleicht jemanden gegeben haben, der da etwas mitbekommen hat, aber auch das sind Spekulationen.“

Die hatte Dietz während seines Geständnisses bei „Beckmann“ angeheizt. Während er die Dopingpraxis im Team in aller Deutlichkeit schilderte, konnte er für das Mitmischen der Geldgeber an der systematischen Manipulation keine Belege liefern. Seine Schilderungen waren indes eindruckvoll genug. Das Blutdopingmittel Epo, so der ehemalige Telekom-Profi, sei für ihn seit 1995 eine absolute Selbstverständlichkeit gewesen. Die Teamärzte, Lothar Heinrich und Andreas Schmid, seien den Profis dabei mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Die Mediziner hätten den Sportlern das Epo zum Teil höchst selbst verabreicht.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen die Ärzte. Sie wurde nach den Enthüllungen des ehemaligen Team-Betreuers der Bonner Renngruppe, Jef d’Hont, tätig. Es besteht der begründete und nunmehr durch eine weitere Zeugenaussage untermauerte Anfangsverdacht, Heinrich und Schmid hätten gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen. Danach ist die Weitergabe von Arzneimitteln zu Dopingzwecken strafbar.

Die sportmedizinische Fakultät der Universität Freiburg, bei der die zwei verdächtigen Ärzte beschäftigt waren, hat eine Untersuchungskommission eingesetzt, um die Vorwürfe zu klären, und die Mediziner gestern suspendiert. Gleichzeitig kündigte Christian Frommert gestern das Ende der Zusammenarbeit mit der Uniklinik zum Ende der Saison an.

Der Rennstall präsentiert sich als Aufräumer. Die Telekom vertraut ihrer Truppe mittlerweile. Im September vergangenen Jahres präsentierte der neue Teamchef Bob Stapleton ein geläutertes Radsportteam, und einen Antidopingfahrplan stellte er auch noch vor. Ein unabhängiges Team von sechs Fachleuten überwacht seither die Fahrer. Wer trotz der strengen Vorgaben des Teams auffällig wird, muss mit Konsequenzen rechnen. Der Ukrainer Sergej Gontschar, der für den Giro d’Italia vorgesehen war, wurde kurz vor dem Start der gerade laufenden Rundfahrt suspendiert, weil seine Blutwerte „auffällig“ waren, wie es hieß.

Wegen derartiger Aktionen gelten die Bonner mittlerweile als glaubwürdig. Dass es ausgerechnet der nun so schwer beschuldigte Lothar Heinrich war, der das medizinische Antidopingkonzept im vergangenen Herbst vorgestellt hat, kann Frommert nicht so schlimm finden. Die unabhängige Kommission, der unter anderem auch der Kölner Dopinganalytiker Wilhelm Schänzer angehört, sei glaubhaft besetzt.

Während sich das Team der Gegenwart als Antidopingrennstall selbst bewirbt, hechelt es immer neuen Dopingenthüllungen aus der Vergangenheit regelrecht hinterher. „Wir wollen Klarheit“, sagt Frommert und kündigte eine Untersuchung der Laufbahn von Rolf Aldag an, des sportlichen Leiters des T-Mobile-Teams. Der war zu den besten Zeiten der Bonner als Aktiver unterwegs und konnte vom Rad aus miterleben, wie nach 1995 die Leistungen der Telekomprofis regelrecht explodierten. Bjarne Riis und Jan Ullrich gewannen in den Folgejahren in Magenta die Tour de France – Epo sei Dank. An einen Abschied vom Radsport-Sponsoring denkt die Telekom derzeit nicht. Frommert sagt: „Wir haben die Verantwortung für unsere jungen Fahrer – und die wollen wir auch tragen.“

DAS IST DIETZ

Der Sachse Bert Dietz, 38, war von 1994 bis 1998 beim Team Telekom als Radprofi engagiert. In der ARD-Sendung „Beckmann“ berichtete er am Montagabend von geplantem Doping mit Erythropoietin (Epo) und Wachstumshormonen in dieser Zeit. Dietz, der die Rolle als Wasserträger und Gehilfe im Team bekleidete, hat auch ein paar Erfolge vorzuweisen. 1993 gewann er die Niedersachsen-Rundfahrt und die Rheinland-Pfalz-Rundfahrt. „Er vereint Leidenschaft und Nervenstärke“, wusste einst die FAZ über ihn zu berichten. Im Oktober 2000 beendete er seine aktive Karriere und wurde zweiter sportlicher Leiter im Team Nürnberger. Zurzeit führt er einen Radsport-Handel in Leipzig. TAZ