MICHAEL BRAUN ÜBER DIE REFORMEN DES ITALIENISCHEN MINISTERPRÄSIDENTEN
: Viel Dampf, wenig Wirkung

So frisch wie am ersten Tag“ fühlt sich Matteo Renzi nach mittlerweile zehn Monaten an der Spitze der italienischen Regierung. Dieser Tage tingelt der Jungstar der römischen Politik wieder einmal von einer TV-Show zur anderen, um die eigenen Werke gebührend zu feiern.

Die Arbeitsmarktreform: abgehakt. Die Verfassungs- und die Wahlrechtsreform: weit fortgeschritten. Nicht zu leugnen: Matteo macht Dampf. Doch nach 300 Tagen an der Regierung zeichnet sich keine Wende ab. Trüb sind die Zahlen für 2014 mit einem BIP-Rückgang um weitere 0,4 Prozent. Eine Wende am Arbeitsmarkt, ein Sinken der horrenden Jugendarbeitslosigkeit von 43 Prozent, erwartet ernsthaft kaum jemand.

„Licht am Ende des Tunnels“ hatten schon Renzis Vorgänger – erst Mario Monti, dann Enrico Letta – immer wieder versprochen. Doch weiterhin ist es stockduster in Italien. 2015 könnte deshalb zum für Renzi entscheidenden Jahr werden: Wenn sein demonstrativ zur Schau gestellter Tatendrang in den nächsten Monaten keine greifbaren Resultate bringt, könnte es schnell um seine weiterhin noch recht hohe Popularität geschehen sein.

Schon im Februar gilt es, die erste große Klippe zu umschiffen: die Wahl des neuen Staatspräsidenten. Bei diesem Votum hilft Renzis Ansatz – das Durchregieren mit Vertrauensvoten und Dekreten – kein Stück weiter. Für die geheime Wahl gilt es, Mehrheiten zu organisieren. Renzi, so scheint es, sucht sie vorneweg bei Silvio Berlusconi und der stramm rechten Lega Nord. Besser beraten wäre er, wenn er nach einem Bürgerpräsidenten suchte – nach einem Kandidaten, zu dem auch Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung nicht Nein sagen könnte. Nur dies wäre ein Signal, dass es Renzi mit dem immer wieder versprochenen radikalen Neuanfang in der römischen Politik wirklich ernst ist.

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