Es wimmelt nur so von Verschwörern

SRI LANKA Die diversen Minderheiten im Lande haben dem Oppositionschef zum Wahlsieg verholfen. Als Präsident steht Sirisena jetzt vor einer großen Herausforderung: Er muss die Gesellschaft versöhnen

AUS DELHI MICHAEL RADUNSKI

Damit hatte kaum jemand gerechnet: In einer weitgehend fairen und friedlichen Wahl ist Maithripala Sirisena zum neuen Präsidenten von Sri Lanka gewählt worden. Nun muss der Wahlsieger die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen miteinander versöhnen. Das wird schwierig, denn das Land ist tief gespalten – und Sirisena nicht der starke Mann Sri Lankas.

Das war bis vor wenigen Wochen noch Mahinda Rajapaksa. Er war seit 2005 im Amt, hatte die Rebellen der „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) besiegt und so den jahrzehntelangen Bürgerkrieg auf der Insel beendet. Er regierte unangefochten, autoritär und mit umfassenden Machtbefugnissen. Rajapaksa war siegessicher und zog die Präsidentenwahl vor, um zwei Jahre.

Das erwies sich als Fehler. Maithripala Sirisena, bis dato als Gesundheitsminister und Generalsekretär der Präsidentenpartei eng mit Rajapaksa verbunden, wechselte überraschend die Seiten. Bei der Wahl am vergangenen Donnerstag gewann er 51 Prozent der Stimmen, Rajapaksa erhielt lediglich 47 Prozent.

Der Machtwechsel ist ein Erfolg für Sri Lankas Demokratie – doch er ist ausgesprochen brüchig. Der Jubel über den Wahlsieg Sirisenas war noch nicht verhallt, da machten bereits Meldungen die Runde, Rajapaksa plane einen Putsch. Angesichts der sich abzeichnenden Niederlage soll er die Streitkräfte gedrängt haben einzugreifen. „Die Leute denken, es war ein friedlicher Übergang. Es war alles andere als das“, sagte der Sprecher der neuen Regierung am Sonntag. Rajapaksa habe seine Macht erst abgegeben, als der Armeechef und der Generalinspektor der Polizei es abgelehnt hätten, die Stimmauszählung zu stoppen und Rajapaksa zum Sieger zu erklären. Die neue Regierung werde den Putsch und die Verschwörung des Rajapaksa-Lagers genau untersuchen.

Doch nicht nur entlang politischer Lager, auch entlang ethnischer und religiöser Linien ist das Land tief gespalten: Herausforderer Sirisena konnte fast jeden Wahlkreis der großen Minderheiten gewinnen, sei es bei den Tamilen, Muslimen oder Katholiken. Hier holte er 600.000 Stimmen mehr als Amtsinhaber Rajapaksa. Der hingegen siegte in den Wahlkreisen mit singhalesisch-buddhistischer Bevölkerungsmehrheit – gewann allerdings lediglich 200.000 Stimmen mehr, was schlussendlich nicht zum Sieg reichte.

Nun muss Wahlsieger Sirisena versuchen, die Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen zu schließen. Er hat bereits angekündigt, den scheidenden Präsidenten und alle Armeeführer vor einer internationalen Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen zu schützen. Zudem führt Sirisena ein buntes Sammelsurium von Parteien an, von der wirtschaftsliberalen United National Party (UNP) über die nationalistische Mönchspartei Jathika Hela Urumaya (JHU) bis hin zu den Quasi-Marxisten der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP). Ihr verbindendes Element war in erster Linie der gemeinsame Gegner. Zudem hat Sirisena kurz vor der Wahl seine eigene Partei verlassen. Nun fehlt ihm ein starker Parteiapparat, um ein großes Projekt wie die Versöhnung der Gesellschaft anzupacken.

Und zu guter Letzt hat Sirisena versprochen, sich nach einem Sieg selbst zu entmachten: Er wolle das Präsidialsystem durch ein parlamentarisches System ersetzen, Polizei und Justiz wieder unabhängiger machen und so die Befugnisse des Präsidenten beschneiden. Neuer starker Mann wäre dann nicht Wahlsieger Sirisena, sondern Sri Lankas neuer Ministerpräsident.