Die Kandidaten stehen nicht gerade Schlange in Rom

ITALIEN Ab 29. Januar wird der Präsident gewählt. Im vierten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit

Keine leichte Aufgabe. Regierungschef Matteo Renzi muss einen Vorschlag machen

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Erwartungsgemäß hat Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano am Mittwoch seinen Rücktritt eingereicht. Immer wieder in den vergangenen Wochen hatte Napolitano signalisiert, dass er angesichts seines hohen Alters – im Juni wird er 90 – sein Amt niederzulegen gedenke.

Zum Präsidenten gewählt wurde er erstmals 2006, und wie alle seine Vorgänger hatte er vor, es bei einer Amtszeit zu belassen. Doch als im Frühjahr 2013 die Kür seines Nachfolgers anstand, verwandelte Italiens gemäßigt linke Partito Democratico (PD) dank interner Ränkespiele die Wahl in eine Nacht der langen Messer, der selbst ein so prominenter Kandidat wie Romano Prodi zum Opfer fiel. Am Ende sahen sich die PD, Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) und mehrere kleine Mitteparteien genötigt, Napolitano um eine erneute Kandidatur anzuflehen, um dem Land eine schwere politische Krise zu ersparen.

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass sich ein vergleichbares Schreckensszenario wie 2013 jetzt wiederholt. Spätestens am 29. Januar muss die Wahlversammlung zusammentreten; sie besteht aus den 630 Abgeordneten, den 315 Senatoren sowie 58 Vertretern der Regionen. In den ersten drei Wahlgängen muss eine Zweidrittelmehrheit erreicht werden, danach reicht die absolute Mehrheit.

Doch die PD allein kommt nur auf 450 der insgesamt 1.003 Stimmen; ein Kompromiss mit anderen politischen Kräften ist damit unausweichlich. Ministerpräsident Matteo Renzi sucht eine gemeinsame Lösung mit Silvio Berlusconis FI. Doch die Präsidentenwahl erfolgt in geheimer Abstimmung, und eine nennenswerte Minderheit in der PD – die Rede ist von bis zu 100 Parlamentariern – ebenso wie Abweichler in der rechten FI sind versucht, den Pakt Renzi/Berlusconi zu sabotieren. Sie könnten mit Beppe Grillos Protestformation MoVimento5Stelle versucht sein, gleich im ersten Wahlgang für Romano Prodi zu stimmen, der für Berlusconi ein rotes Tuch ist.

Deshalb ist es Renzis Hauptanliegen, einen Kandidaten aus den eigenen Reihen ausfindig zu machen, den auch die linken Minderheitsflügel der PD mittragen können, der aber zugleich für die Berlusconi-Rechte akzeptabel wäre. In den letzten Tagen wird verstärkt Walter Veltroni genannt; Veltroni wurde im Jahr 2007 nach der Gründung der PD deren erster Vorsitzender. Er zog sich 2013 aus der aktiven Politik zurück, doch dem 59-Jährigen werden Gelüste aufs höchste Staatsamt nachgesagt.

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