Schneller und kontrollierter

SKI-FREESTYLE Die 18-jährige Lisa Zimmermann gewinnt bei der WM Gold im Slopestyle. Nachdem sie bei den Olympischen Spielen in Sotschi enttäuschte, hat sie ihren Stil umgestellt

„Der Titel wird schon was wert sein“

LISA ZIMMERMANN

AM KREISCHBERG KLAUS-ECKHARD JOST

War das Coolness? Oder war dies einfach die Überraschung? Ganz abgeklärt absolvierte Lisa Zimmermann die Pflichten, die auf eine Weltmeisterin zukommen: die Siegerehrung, den Interviewmarathon und die Dopingkontrolle. „Der Titel wird schon was wert sein“, sagt die Slopestylerin, „aber ich denke nicht: Wow, ich bin Weltmeisterin!“

Der Titel war Lisa Zimmermann am Kreischberg, wo die Titelkämpfe im Freestyle- und Snowboard stattfinden, schon vor ihrem letzten Lauf nicht mehr zu nehmen. Beim Slopestyle zählt nur der beste Durchgang, und als die Britin Kathie Summerhayes zuvor ihre Punktezahl nicht verbessern hatte können, posierte die neue Weltmeisterin am Start vor ihren fotografierenden Trainern. Ehe sie im Ziel eintraf, waren diese Bilder schon im Netz. Die Fahrt wurde zur Genussfahrt. Ein Juchzer beim zweiten Sprung, ein Händeklatschen über dem Kopf beim Zielsprung. Mehr war nicht an triumphierenden Gesten.

Zuvor war bei ihrer zweiten Fahrt kein Wackler zu sehen, die Sprünge mit den Salti und Drehungen waren höher als die ihrer Konkurrentinnen. 85,80 Punkte. Platz eins. Hinterher bekannte die blonde Frau: „Es war nicht mein perfekter Run. Ich war nur froh, dass es gereicht hat.“

Erst viel später ließ Zimmermann, die für den WSC Oberaudorf startet, einen kleinen Einblick in ihre Gefühlswelt zu. „Ich wohne ja in Innsbruck, trainiere mit dem österreichischen Team. 99 Prozent meiner Freunde kommen von dort“, sagte sie ganz nüchtern, „daher war das so etwas wie meine Heim-WM. Hier zu gewinnen – etwas Schöneres kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Bereits vor einem Jahr wollte Zimmermann einen großen Titel gewinnen. Kurz vor den Olympischen Spielen in Sotschi war sie als erste Frau einen Double Cork 1260, eine doppelte Überkopfdrehung und dreieinhalb Schrauben, gestanden. Zudem hatte sie in Gstaad ihren ersten Weltcup gewonnen. Folglich war sie als eine der Mitfavoritinnen an den Start gegangen. Doch nach einem Sturz im ersten und zu vielen Fehlern im zweiten Lauf verpasste sie das Finale. Dass sie danach ihren zweiten Weltcup und damit die Gesamtwertung gewann, war nur ein schwacher Trost.

„Ich habe aus Olympia gelernt“, bekannte sie nach ihrer WM-Siegfahrt. Konsequenzen hatten auch die Trainer gezogen. In Sotschi war Zimmermann noch ohne Stöcke gefahren. Dies hat die ehemalige Eiskunstläuferin im Sommer umgestellt. Zwar sind die Stöcke kaum länger als 50 Zentimeter, trotzdem bringen sie ihr mehr Balance. „Lisa hat dadurch mehr Kontrolle bei der Anfahrt, in der Luft und bei der Landung“, erklärt Heli Herdt, Sportlicher Leiter Freeskier beim Deutschen Skiverband (DSV). Weil sie dadurch mit mehr Geschwindigkeit anfahren kann, kann sie höhere Sprünge zelebrieren.

So wie Zimmermann an ihren Fahrten, so muss die internationale Skiverband (FIS) noch an der Weiterentwicklung der jungen Wintersportart Slopestyle arbeiten. Lediglich vier Wettbewerbe stehen auf dem Weltcupprogramm. Der erste am 26. Februar in Park City (USA). Auf den Saisonhöhepunkt an den Kreischberg konnten sich die Sportlerinnen lediglich bei kleinen Wettkämpfen vorbereiten. „Da ist der internationale Skiverband in der Pflicht“, sagt Herdt.

Ansonsten hat sich Lisa Zimmermann selbstständig gemacht. Mit dem Erwerb des Führerscheins hat sie sich im Sommer vom Christophorus-Gymnasium in Berchtesgaden abgemeldet und ist wegen der besseren Trainingsmöglichkeiten nach Innsbruck gezogen. „Dort leben die meisten guten Slopestyler“, sagt DSV-Mann Herdt, „dort ist das Training deutlich zentraler möglich.“ Der Umzug bringt allerdings auch einen gewichtigen Nachteil mit sich: Zimmermann bekommt dafür keine finanzielle Unterstützung und muss alles aus eigener Tasche bezahlen.