Hitchbot if you can

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Ein sprechender Roboter aus Kanada macht Autostopp in Berlin, gibt Radio-Interviews und spricht sich gegen Alkohol aus. Unser Reporter jagt einem Medienphänomen nach

Er ist 90 Zentimeter hoch, hat ein Gesicht aus Piktogrammlämpchen und Gliedmaßen aus Schwimmnudeln. Knuffig sieht er aus und reden kann er, wie uns die Kolleginnen vom Radio am Mittwochmorgen bewiesen haben: Wenn sie Hitchbot, der Erfindung kanadischer Kommunikationswissenschaftlerinnen, vor dem Brandenburger Tor eine Frage stellten, antwortete dieser brav mit dem eckigen Charme einer automatischen Bahnhofsansage, zum Beispiel: „Ich er-laube Alkohol am Steu-er nicht.“ Hitchbot kann reden, aber nicht gehen – derzeit reist er für ein TV-Wissenschaftsmagazin durch Deutschland. Per Anhalter.

Am Mittwochvormittag soll er sich immer noch in Berlin befinden, also stürze ich mich mit dem taz-Dienstrad in den Verkehr, auch ich will ihn finden, will mit ihm sprechen, will von seinem Tablet-Hirn wahrgenommen werden. Zum Brandenburger Tor, wo in der Sonne ein letzter Flecken Schnee dahinschmilzt. Aber Hitchbot hat sich längst aus dem Staub gemacht.

Dann ein Anruf: Der Kollege hat ihn geortet. Der Landkarte seiner Homepage zufolge soll sich Hitchbot in der Nähe des Heizkraftwerks Mitte aufhalten. Also dem Roboter und dem Hype hinterher, strampelnd durch die Innenstadt. Im Hinterhof des Kraftwerks treffe ich zwei Arbeiter im Blaumann bei der Mittagszigarette. Wie verklickert man nun denen sein Problem?

„Ähm, haben Sie einen Roboter hier vorbeifahren sehen?“ – Mäßig interessierte Blicke. Ich erkläre meine Suche, Kopfschütteln der beiden: „Nee, ham wa nichts jehört von.“ Ihr verschmitztes Grinsen und der Fakt, dass sie an einem Behälter lehnen mit der Aufschrift „Elektroschrott“, wecken bei mir einen leisen Verdacht: Könnte hier bereits das Ende der Weltreise des berühmten Tramproboters sein, der schon 6.000 Kilometer durch Kanada überstanden hat und nun im Altmetall gelandet ist? Doch auch im Behälter ist der Hitchbot nicht.

Ein paar Meter weiter, bei der U-Bahn-Station Heinrich-Heine-Straße, starrt eine Handvoll Menschen auf ihr Handy. An sich nichts Besonderes, würden sie nicht ab und zu konzentriert in die vorüberfahrenden Autos hineinlinsen. Schnell wird klar. Auch sie sind seinetwegen hier, der blonde Schüler Ludwig mit der Zahnlücke, der von Hitchbot gern das Leibgericht wissen will, die blonde Mittdreißigerin Franzi mit den vielen Ohrringen, die ihn, wie sie erklärt, gern mal in den Spreewald entführen würde. Alle warten sie auf den kleinen Robo-Fetisch, der es immerhin zu Stefan Raab und ins heute journal gebracht hat. Doch Hitchbot bleibt verschwunden, und in der Frühlingssonne twittern die Vögel. Irgendwann kommt dann die Nachricht, Hitchbot sei längst auf dem Weg nach Hamburg. TOBIAS KRONE