Debatte über Verbot von salafistischem Moscheeverein

ISLAMISMUS Bezirk Neukölln will Verbot des Vereins der Al-Nur-Moschee prüfen lassen. Die Opposition spricht von Populismus

„Der Verein hat sich noch nicht distanziert“

HAKAN TAS, LINKSPARTEI

Was muss eine demokratische Gesellschaft im Namen der Religionsfreiheit ertragen – und wann hört die Toleranz auf? Seit Bekanntwerden der frauenfeindlichen Hetze eines Imams in der Neuköllner Al-Nur-Moschee Anfang Februar diskutiert die Stadt über den Umgang mit extremistischen Islamauslegern. Die Senatsinnenverwaltung prüft bereits seit Monatsbeginn ein Verbot des Trägervereins der Moschee, der „Islamische Gemeinschaft“. Nun sprach sich am Mittwochabend auch die Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit den Stimmen von SPD und CDU für ein Vereinsverbot aus. „Es ist unsere Pflicht, zu den frauenfeindlichen und volksverhetzenden Predigten Stellung zu nehmen“, sagte die Bezirksschulstadträtin und designierte Nachfolgerin von Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, Franziska Giffey (SPD), am Freitag der taz.

Dagegen hält die Opposition in der BVV ein Verbot für wenig hilfreich: Der Beschluss sei eine „populistische Kampagne der CDU, auf die die SPD leider mit aufgesprungen ist“, sagte der Fraktionsgeschäftsführer der BVV-Linken, Moritz Wittler. Bei allen Bedenken, die auch seine Fraktion gegen den hochumstrittenen Moscheeverein habe, „befördern solche Kampagnen die antimuslimische Stimmung in der Bevölkerung. Der Beschluss ist nicht sachdienlich, sondern schädlich“, so der Linke.

Im August vorigen Jahres war die Moschee in die Schlagzeilen geraten, weil Imam Abu Bilal Ismail zur Vernichtung der „zionistischen Juden“ aufgerufen hatte. Ende Januar predigte der ägyptische Gastprediger Sheikh Abdel Moez, dass Ehefrauen kein Recht hätten, den Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehepartner zu verweigern. Daraufhin hatte die Senatsinnenverwaltung eine Verbotsprüfung eingeleitet. Nach Ansicht von Experten ist ein solches Verbot jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Ein BVV-Beschluss in dieser Sache ist aber auf keinen Fall nötig: Zuständig für ein Verbot ist CDU-Innensenator Frank Henkel (CDU), die Finanzverwaltung könnte dem Verein die Gemeinnützigkeit entziehen. Man habe aber mit dem Beschluss „ein Signal“ entgegensetzen wollen, so Giffey.

Die Neuköllner Linke kritisiert zudem, man habe in den Ausschüssen nicht das Gespräch mit VertreterInnen der Moschee gesucht. Giffey erwiderte, der Verein „ist für mich in dieser Frage nicht der erste Gesprächspartner“. Dennoch habe man dessen Vertreter für die nächste Sitzung des Integrationsausschusses eingeladen.

Einig ist man sich in der Linken in puncto Verbotsverfahren nicht. Der Innenexperte im Abgeordnetenhaus, Hakan Taş, der wegen der zwei umstrittenen Predigten Anzeige erstattet hatte, begrüßte den BVV-Beschluss als „Schritt gegen den Islamismus insgesamt“. Der Verein habe bisher keine Verantwortung für die Predigten übernommen, sagte er. „Im Internet sind die Videos nach wie vor zu sehen. Der Verein hat sich noch nicht distanziert. Das muss er tun und dazu beitragen, dass die Videos gelöscht werden“, so Taş.

TOBIAS KRONE