Die radikale First Lady

Danielle Mitterrand ist tot. Die 87-Jährige starb Dienstag früh in einem Pariser Krankenhaus, nachdem sie ins Koma gefallen war. Wenn nun alle Nachrufe betonen, dass sie die Gattin des 1996 verstorbenen sozialistischen Staatschefs François Mitterrand gewesen ist, mutet dies fast wie eine jener Ungerechtigkeiten an, gegen die diese Frau ihr Leben lang angekämpft hat. Sie war bei weitem die Militantere und Radikalere in diesem Paar. Im Unterschied zu ihrem Mann stammt sie aus einer Familie, in der beide Eltern in der Sozialistischen Partei SFIO aktiv waren. Danielle war erst 17, als sie sich selbst ab 1942 mit ihrer Schwester Christine Gouze der Widerstandsbewegung gegen die Besetzung Frankreichs anschloss.

Die Präsidentschaft von 1981 bis 1995 setzte diese an sich diskrete Persönlichkeit schlagartig dem Rampenlicht der Politik und Diplomatie aus. Ihre offizielle Rolle zwang sie zu Rücksichten und Kompromissen nicht nur politischer Natur, sondern auch in ihrem Familien- und Eheleben. Ganz am Ende des zweiten Mandats erfuhr die französische Öffentlichkeit, dass François Mitterrand mit einer anderen Frau ein geheimes Doppelleben führte und mit ihr eine Tochter, Mazarine, hatte. Danielle Mitterrand musste damit leben, auch wenn sie es nie akzeptiert hat.

Die Konzessionen an die Staatsräson hinderten sie nie daran, sich für ihre eigenen Überzeugungen öffentlich zu engagieren. Vor allem, wenn es um Frauen, die Dritte Welt, die Rechte unterdrückter Völker oder inhaftierte Oppositionelle ging. Oftmals scheute sie sich nicht, Unrecht beim Namen zu nennen, wo ihr Gatte als Präsident diplomatische Umwege einschlagen oder schweigen musste. Ihre Parteinahme für Kuba, für Guerilleros in El Salvador, Mexiko oder gegen Apartheid wurden ihr stets von rechten Gegnern als „Fauxpas“ angekreidet.

Über die Zeit im Élysée-Palast hinaus engagierte sich Danielle Mitterrand mit ihrer Stiftung France Libertés. Sie hat so in Frankreich ein neues Modell der First Lady geschaffen: Die Gattin an der Staatsspitze, die sich nicht darauf beschränkt, Kindergärten einzuweihen, sondern die ihre Position nutzt, um selber zu politisieren und ihren Einfluss geltend zu machen. RUDOLF BALMER