Kleines Bäumchen Hoffnung

GUERILLA PLANTING 50 Menschen treffen sich, um überall in der Stadt Setzlinge einzugraben. Nicht alle Passanten reagieren wohlwollend auf diese nicht genehmigte Aktion

■ Guerilla Planting ist eine Weiterentwicklung des Guerilla Gardenings, bei dem eine Samenbombe, meist eine Mischung verschiedener Saaten, kurzerhand irgendwo abgeworfen wird. Das Planting erfordert mehr Zeit und Planung: Man muss einen passenden Ort suchen, Gerätschaften (Schaufel und Gießkanne) mitbringen und den Baum einpflanzen. Idealerweise übernimmt der Pflanzer/die Pflanzerin auch eine Patenschaft für den Baum. (taz)

VON MARIE-THÉRÈSE HARASIM

„Baumattackeee!!!“, schreit Enea und sprintet mit einer kleinen Birke in der Hand über die Wiese vor dem Urbankrankenhaus in Kreuzberg. Er kommt bei seiner Mutter Lorinda an, die gerade mit einer Schaufel ein Loch ausgehoben hat, und reicht ihr das Bäumchen. Gemeinsam pflanzen sie es ein, nicht zu tief, sonst trocknet die Wurzel aus, und gießen. Der sechsjährige Enea befestigt ein Schild, auf dem steht: „Ich bin ein Baum. Ich wurde mit Absicht gepflanzt.“

In ganz Berlin waren am Samstag rund 50 Menschen unterwegs, um die Stadt zu begrünen. „Guerilla Planting“ nennt sich die Aktion, die über Facebook beworben wurde. Am Freitag hatten sich zehn Hobbygärtner getroffen, um in der Prignitz Sämlinge auszupflanzen, die dort aufgrund der Enge und des damit verbundenen Lichtmangels sowieso nicht überlebt hätten. Mit dem Auto haben sie die Bäumchen in die Prinzessinnengärten am Moritzplatz gebracht. „Wir pflanzen dort, wo wir Lust haben, egal was Gesetze oder Vorschriften sagen“, erklärt Organisator Jakob von Recklinghausen.

Wie viele Bäume an ihrem neuen Standort überleben, bleibt abzuwarten. „Das ist ein Experiment“, sagt Recklinghausen. „Ich hoffe, das möglichst viele überleben.“ Normalerweise arbeite er als Baumpfleger. In seinem Job müsse er immer wieder Bäume aus Krankheitsgründen fällen; neue zu pflanzen sei sein ganz persönlicher Ausgleich, beschreibt er seine Motivation. „Ganz Mitteleuropa wäre von Wald bedeckt, wenn der Mensch nicht eingreifen würde – wir müssen uns auf unsere Wurzeln besinnen“, gibt er zu bedenken.

Dass das Ganze ohne Genehmigung passiert, stört keinen der Teilnehmer. Eine Passantin hingegen, die am Urbankrankenhaus vorbeikommt, fragt, ob man eine amtliche Erlaubnis habe, hier zu pflanzen, schließlich beschädige man den Rasen. „Es ist eine Beschädigung, das hier einfach leer zu lassen“, entgegnet Jotti, die einen weiteren Baum einpflanzt, kopfschüttelnd. Andere Passanten reagieren wohlwollender. Eda und Fathi El-Daghi wohnen gleich um die Ecke. Bis vor Kurzem, erzählt Fathi, habe er einen Apfelbaum auf dem Mittelstreifen vor seiner Wohnung gehabt, um den er sich gekümmert habe. Doch der habe jetzt einer Baustelle weichen müssen. „Wir werden die Bäume auf jeden Fall gießen, wenn es heiß ist“, verspricht er.

Die Gruppe von Enea, Lorinda und Jotti zieht weiter. Auf der anderen Seite des Kanals wurde ein Baum gefällt, dort setzen sie zwei neue. „Ich pflanze heute Bäume, weil ich nicht weiß, wie lange die Erde uns Menschen noch ertragen wird. Ich mache mir Sorgen, in was für einer Welt mein Sohn leben wird“, sagt Lorinda und schaut zu Enea. Der Junge reicht ihr einen Regenwurm, den er aus der Erde gepult hat.

Als am späten Nachmittag die meisten Freiwilligen verschwunden sind, sind im Prinzessinnengarten noch einige Bäumchen übrig. Ein harter Kern zieht damit weiter. „Wir pflanzen einen Wald“, freuen sie sich. „Bei so vielen Bäumen auf einmal fällt es dem Amt vielleicht schwerer, sie alle wieder plattzumachen.“