Stallmief in der Universität

SPONSORING Die Uni Vechta lässt sich ihr Geflügelzentrum von der Geflügelwirtschaft bezahlen. Studierende sehen die Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr

„Wir machen keine Public Relations“

HANS-WILHELM WINDHORST, LEITER des WING

VON HELKE ELLERSIEK

Man könnte meinen, Niedersachsen sei ein riesiger Hühnerstall: Fast ein Drittel des geschlachteten Geflügels in Deutschland kommt aus diesem Bundesland. Auch an der Universität Vechta kann man sich dem Federvieh nicht verschließen. Seit 2012 gibt es hier das Wissenschafts- und Informationszentrum für nachhaltige Geflügelwirtschaft, passend abgekürzt: WING. Die Niedersächsische Geflügelwirtschaft (NGW) finanziert es jährlich mit über 100.000 Euro.

Laut eigener Darstellung auf der Homepage will das WING „zu einer objektiven und vorurteilsfreien Darstellung in der Öffentlichkeit beitragen“. In den Medien kursierten nämlich „oftmals verzerrte oder sachlich falsche Aussagen zur Geflügelbranche“. Das WING dagegen bündelt Forschungsergebnisse und gibt dadurch einen „realistischen Einblick in die moderne, marktorientierte Geflügelwirtschaft“.

Der Studierendenausschuss Asta der Universität steht der Kooperation ihrer Uni mit der Geflügelwirtschaft kritisch gegenüber. Es stehe der Verdacht im Raum, dass die Branche „das WING zu instrumentalisieren versucht, um ihre fragwürdigen politischen Haltungen wissenschaftlich zu rechtfertigen“, schreiben Studierendenvertreter in einer Stellungnahme für die taz. „Angesichts der für uns bisher vollkommen ungeklärten und offenen Summe an Drittmitteln machen wir uns große Sorgen um die Freiheit und Unabhängigkeit von Forschung“, heißt es. Die Studenten fordern deshalb die Uni auf offenzulegen, welche Forschungsprojekte die Geflügelunternehmen im Speziellen und die Wirtschaft im Allgemeinen mit Drittmitteln fördern und wie hoch die Summen sind, die in die Institute fließen.

Dem Portal hochschulwatch.de, welches die taz zusammen mit Transparency International und dem Dachverband der Studierendenschaften, fzs, betreibt, ist zu entnehmen, dass die Geflügelwirtschaft der Uni im vergangenen Jahr 110.000 Euro zur Förderung von Lehr- und Forschungszwecken überwiesen hat. Auf Nachfrage der taz gibt die Universität Auskunft, dass das Geld für die „Transparenzoffensive Geflügelwirtschaft“ eingesetzt werde. Dabei handelt es sich um eine Kooperation des WING mit der niedersächsischen Geflügelwirtschaft, die der Öffentlichkeit ermöglicht, die Ställe zu vereinbarten Terminen zu besuchen. So sollen Besucher einen Einblick in die Geflügelhaltung unterschiedlicher Haltungsformen bekommen. Dabei würden „ausschließlich bäuerliche Familienbetriebe“ vorgestellt, erklärt Katharina Genn-Blümlein, Sprecherin der Universität. Bisher hätten sich 30 Betriebe an der Offensive beteiligt. Das Geld, das die Geflügellobby zur Verfügung stellt, werde für die Beschäftigung der universitären MitarbeiterInnen eingesetzt, die das Projekt wissenschaftlich begleiten. Außerdem bezahle man davon auch Flyer, Zelte, Fahrtkosten, den Internetauftritt des WING und Druckkosten für wissenschaftliche Publikationen über die Initiative.

Als ein Imageprojekt will der wissenschaftliche Leiter von WING, Hans-Wilhelm Windhorst, die Transparenzoffensive ganz und gar nicht verstanden wissen. „Wir machen keine Public Relations“, meint Windhorst. Sein Forschungsteam begleitet die Stallöffnungen unter rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten.

Die Mitarbeiter erfassen etwa die Einstellung der Besucher zur Geflügelwirtschaft vor und nach dem Besuch der Ställe. Ergebnis: ein Großteil der Besucher hat nach dem Rundgang durch die Ställe ein positiveres Bild der Geflügelhaltung als zuvor.

Windhorst betont, dass die Geflügelwirtschaft keinen Einfluss darauf nehme, wo er und sein Team die Einstellungen der Menschen erforschten: Man achte darauf, dass sich das Geflügel „nahezu im Endalter“ befinde, wenn die Besucher kämen – also kurz vor der Schlachtung. Es ergebe ja keinen Sinn, lauter flauschige Küken zu zeigen: „Das ist ja nicht realistisch bei einem Mastbetrieb.“

Bei Greenpeace sieht man die „Transparenzoffensive“ dennoch als mögliches Geschenk für die Geflügelwirtschaft an. „Wenn ich in den Stall gucke, sehe ich ja nicht, was da noch alles dranhängt“, meint Stephanie Töwe von Greenpeace. Antibiotikanutzung und unter ihrem Gewicht einknickende oder gar tote Hennen könne man in einer solchen einmaligen Betriebsöffnung leicht verschleiern.

Grundsätzlich begrüße Greenpeace die Öffnung der Ställe. Trotzdem würde man bevorzugen, wenn die Geflügelwirtschaft das Geld für bessere Haltungsbedingungen einsetzen würde, sagt Töwe. „Und nicht in solch ein Imageprojekt.“