Der Abgang des flotten Joe

BILLIGLÖSUNG Nach der Entlassung von Josef Zinnbauer soll Sportdirektor Peter Knäbel den Hamburger SV vor dem Abstieg retten

Klar ist mit dieser Interimslösung, dass im Sommer HSV-Trainer Nummer 19 in nur 14 Jahren folgen wird

AUS HAMBURG JAN KAHLCKE

Natürlich war auch wieder Thomas von Heesen als möglicher Retter im Gespräch. Das ist ja stets bei den nicht gerade seltenen Krisen des Hamburger SV der Fall. Entschieden hat man sich aber beim HSV für Peter Knäbel, der als Sportdirektor der direkte Vorgesetzte des am Sonntagabend geschassten Trainers Josef Zinnbauer war.

Knäbel ist keiner, der sich aufdrängt. Eher einer, der, wenn es drauf ankommt, Verantwortung auf sich nimmt. Mit allen Risiken des Scheiterns. Knäbel ist ein Theoretiker des modernen Fußballs, der zwar die nötige Trainerlizenz mitbringt, jedoch eher wenig praktische Erfahrung. Sein Plus ist, wie bei Zinnbauer, dass er Vereinsstrukturen und Mannschaft gut kennt – und kein zusätzliches Geld kostet.

Klar ist mit dieser Interimslösung auch, dass auf Knäbel im Sommer HSV-Trainer Nummer 19 innerhalb von nur 14 Jahren folgen wird. Josef Zinnbauer schien schon am Freitagabend zu wissen, was die Stunde geschlagen hatte. Mit zusammengepressten Lippen und unruhigem Blick sagte er tapfer, er spüre volles Vertrauen der HSV-Führung. „Aber es geht hier nicht um mich, es geht um den HSV.“ Das klang schon sehr nach Abschiedsworten.

Gerade hatte der HSV mit 0:1 gegen Hertha BSC verloren, einen Konkurrenten im Abstiegskampf. Und gewonnen hatten die Hamburger schon seit sechs Spielen nicht mehr. Zuletzt hatten sie mit 2:1 die drückend überlegene Mannschaft von Hannover 96 geschlagen, durch zwei skurril abgefälschte Schüsse. Dazwischen lag die 0:8-Klatsche bei Bayern München. Ganze 16 Tore hat der HSV in der bisherigen Saison erzielt, 11 weniger als der Tabellenletzte VfB Stuttgart.

Und nun fangen auch noch die Konkurrenten an zu punkten: Stuttgart schlägt Frankfurt, Freiburg schlägt Augsburg, Paderborn holt einen Punkt gegen Hoffenheim – das sind genau die drei Teams, von denen die Hamburger immer glaubten, sie hinter sich lassen zu können.

Was waren sie begeistert von ihm in Hamburg! „Joe“, wie der Bayer sich flott nennt, schien wie gemacht für den Neuanfang, als der HSV vor einem halben Jahr seine Profiabteilung frisch ausgegliedert hatte: Nach den teuren Missverständnissen Bert van Marwijk und Mirko Slomka kostete Zinnbauer quasi nichts, als sie ihn vom Amateurtrainer zum Chef beförderten. Mit der Regionalliga-Mannschaft hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht einen einzigen Punkt abgegeben. Und dem Sportwagen-Fahrer eilte der Ruf voraus, es schon während seiner aktiven Fußballerkarriere als Anlageberater zum Millionär gebracht zu haben. Ein Erfolgsmensch, zielstrebig, akribisch und bescheiden geblieben.

Tatsächlich gelang es ihm, den HSV besser zu machen. Er stabilisierte die seit Jahren desolate Defensive, brachte Struktur ins Aufbauspiel, kitzelte sagenhafte Laufleistungen aus der Mannschaft heraus und integrierte Nachwuchsspieler in das Team. Nur Tore, die konnte Zinnbauer nicht schießen. Dass seine Spieler es zu selten taten, ist nur zum kleineren Teil ihm anzulasten: Der vor der Saison endgültig von Hertha BSC losgeeiste Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga ist immer wieder verletzt. Der vor ein paar Wochen aus Wolfsburg gekommene 35-jährige Ivica Olic hat seinen Zenit ebenso überschritten wie Kapitän Rafael van der Vaart. Und dessen designierter Nachfolger Lewis Holtby brach sich das Schlüsselbein. Eigentlich kann man Zinnbauer nur vorwerfen, dass er in „seiner“ Viertliga-Mannschaft keinen Torjäger bereitgehalten hat, der auf Anhieb in der Bundesliga einschlagen würde.

Man darf dem Präsidenten der HSV-AG Dietmar Beiersdorfer glauben, dass er es ehrlich meinte, als er vergangene Woche sagte: „Wir wollen das mit Joe natürlich durchziehen, das ist klar. Wir müssen trotzdem immer wieder überprüfen, ob die Situation dem angemessen ist.“ Das hatten sie beim HSV für die anstehende Länderspielpause ohnehin vereinbart. Die Prüfung fiel gegen Zinnbauer aus.