Keine „afghanische Lösung“ für Angola

Kann die neue sowjetische Außenpolitk auch den regionalen Konflikt um Angola entschärfen? Im Prinzip ja:Einer Einigung der Supermächte steht nichts mehr im Wege - wenn Südafrika mitspielen würde / Davon kann jedoch keine Rede sein / Dritte Angola-Verhandlungen in Kairo  ■  Von Michael Fischer

„Unsere Strategie ist es, an diplomatischen Verhandlung zwar teilzunehmen, sie aber immer in letzter Minute scheitern zu lassen. Es geht uns darum Zeit zu gewinnen, solange die westlichen Länder unfähig oder unwillig sind, uns ernsthaft unter Druck zu setzen. Die westlichen Regierungen hoffen noch immer, daß wir zu Konzessionen bereit sind, wenn sie sich nur vernünftig verhalten“. Was ein südafrikanischer Diplomat am Rande der Genfer Namibia-Konferenz 1981 ausplauderte, trifft heute trotz aller Euphorie über die neue Kompromißbereitschaft der Großmächte bei regionalen Konflikten auch auf die seit Monaten laufenden diplomatischen Angola-Verhandlungen zu.

Vergangenes Wochenende saßen sich Vertreter der Verhandlungsgegner Südafrika, Angola und Kuba zum dritten Mal gegenüber. Ohne konkrete Ergebnisse wurde ein neuer Gesprächstermin in den USA beschlossen. Für Südafrika und die USA stand auch dieses Mal der Abzug der rund 40.000 kubanischen Soldaten im Mittelpunkt, die gerade in den letzten Wochen erfolgreich die angolanischen Soldaten im Krieg gegen die UNITA-Banditen und etwa 9.000 südafrikanische Soldaten unterstützt haben. Von der Einlösung dieser Forderung macht das Apartheid-Regime seit Jahren den Abzug seiner Truppen aus Angola und die Entlassung Namibias in Unabhängigkeit abhängig.

Einem Abzug von Castros Truppen haben die Angolaner zwar grundsätzlich zugestimmt, sie beharren aber darauf, daß parallel dazu ihre Forderungen erfüllt werden: Der Abzug der südafrikanischen Truppen aus Angola; ein Ende der Unterstützung für die UNITA, die seit der Unabhängigkeit Angolas 1975 von Portugal gegen die MPLA-Regierung einen Zerstörungskrieg führt; und die Durchführung der UN -Resolution 435, die Namibia die Unabhängigkeit von Südafrika garantiert.

Trotzdem halten es viele Beobachter schon für einen Erfolg, daß überhaupt miteinander geredet wird, im vergangenen Monat immerhin schon zwei Mal: Die Hauptkontrahenten im Konflikt um Angola hatten sich Anfang Mai in London und zehn Tage später in Kongos Hauptstadt Brazzaville getroffen. Zur selben Zeit konferierten die Afrika-Beauftragten, dann die Außenminister und schließlich sogar die Chefs der beiden Supermächte während ihres Gipfels in Moskau darüber, wie der Krieg um Angola beizulegen sei. Der sowjetische Afrika -Beauftragte Anatolij Adamischin frohlockte im Vorfeld der Londoner Gespräche Anfang Mai, noch nie sei man einer Lösung des Angola-Konflikts so nahe gewesen wie heute. Afghanistan als Modell?

Ausschlaggebend für die plötzliche Wende in der Angola-Frage soll die neue sowjetische Außenpolitik sein. Als Gorbatschow im Februar dieses Jahres ankündigte, daß die politische Lösung des Afghanistan-Problems „ein wichtiger Durchbruch in der Reihe von Regionalkonflikten“ sein könnte, wurde spekuliert, ob das Modell Afghanistan neben Kambodscha auch auf Angola angewandt würde. Die meisten Beteiligten, allen voran das völlig zerstörte Angola, haben Interesse an der baldigen Beendigung des seit 27 Jahren andauernden Krieges um die ehemalige portugiesische Kolonie: Der angolanischen Regierung steht das Wasser bis zum Hals. Die Kosten des Krieges treiben das Land in den Ruin. Selbst die kubanischen „Internationalisten“ können nicht mehr bezahlt werden. Auch Kuba kommt der Krieg im fernen Angola teuer zu stehen. Und die Sowjetunion bemüht sich unter Gorbatschow, die Fronten zu begradigen, um ihre Supermachtsposition zu konsolidieren. Der Westen erhofft sich nach der erzwungenen Öffnung Angolas zum IWF bessere Ausbeutungschancen des an Bodenschätzen reichen Landes. Die UNITA-Banditen können von Verhandlungen nur profitieren, da sie trotz der Hilfe aus den USA und Südafrika militärisch nicht gewinnen können.

Allein das Apartheid-Regime ist an einer Lösung des Angola -Konflikts nur begrenzt interessiert, da es nicht nur seine Truppen aus Angola abziehen sondern auch Namibia freigeben müßte. Zu letzterem wird sich das Apartheid-Regime auch nach 67 jähriger Kontrolle und lukrativer Ausbeute der ehemaligen deutschen Kolonie nicht durchringen können. Zumal der Norden Namibias den Apartheid-Truppen als strategisch wichtiges Aufmarschgebiet für Destabilisierungsaktionen gegen die Frontstaaten dient.

An einer Teillösung sind die Rassisten allerdings interessiert, nachdem sie trotz großer Verluste und Anstrengungen die angolanischen und kubanischen Truppen nicht besiegen konnten. Im Gegenteil: Das Apartheid-Regime muß angeblich schon Reservisten mobiliseren, um das weitere Vordringen der kubanischen Truppen an die angolanisch -namibische Grenze aufzuhalten. Hinzukommt, daß sich die von Südafrika und den USA ausgehaltenen UNITA-Banditen untereinander und mit ihrem großen Bruder Botha zerstritten haben.

Ein für Südafrika erträglicher Kompromiß könnte so aussehen: Eine Teilung Angolas oder eine Beteiligung der UNITA-Banditen an der Regierungsmacht. In Namibia eine von Südafrika nur begrenzt unabhängige Regierung, in der die namibische Befreiungsbewegung SWAPO auf keinen Fall eine Mehrheit hat. Denn es wird davon ausgegangen, daß bei den in der UN-Resolution festgesetzten Wahlen die SWAPO gewinnen würde.

Bislang haben Angola und Kuba sowie die Sowjetunion diese auch von westlichen Diplomaten unterstützten Kompromißvorschläge Südafrikas abgelehnt. Offiziell beteuern westliche Regierungsvertreter zwar, daß die Durchführung der UN-Resolution unabdingbarer Bestandteil einer Verhandlungslösung sein müßte. Wenn dem aber so ist, wird der Erfolg der Angola-Verhandlungen zu einem großen Teil davon abhängen, ob die westlichen Länder, allen voran die USA willens und in der Lage sind, das Apartheid-Regime unter Druck zu setzen.

Doch jahrelang stand Angola gleich hinter Libyen auf Reagans Abschußliste. Auch heute macht der gealterte Kommunistenjäger keine Anstalten, seinen Guerilla-Krieg, den er mit Hilfe der UNITA gegen Angola führt, zu beenden. Stattdessen soll die US-Militärhilfe für die Freischärler von 15 auf 40 Millionen Dollar erhöht werden. Nicht zuletzt, um sicherzustellen, daß die UNITA noch mit Waffen versorgt werden kann, wenn der Präsident schon längst Dukakis heißt.