Free Mandela

Südafrikas Handelspartner sind gefordert  ■ K O M M E N T A R

Auf einer Straße nördlich der Hafenstadt Durban stoppt die südafrikanische Polizei einen Wagen mit zwei Insassen. Einer von ihnen ist „Volksfeind Nummer eins“, Nelson Mandela. Als Fahrer verkleidet, chauffierte er am 5.August 1962 den Schauspieler Cecil Williams. Auf den Tag genau 24 Jahre später meldete die US-Fernsehgesellschaft CBS: „Es besteht kein Zweifel daran, daß Mandela einem Beamten im US-Konsulat in Durban, der für den CIA arbeitete, verraten wurde.“ Nur ein Jahr vor seiner Verhaftung hatte Mandela die Militärorganisation des ANC, den „Speer der Nation“, gegründet. Nach einem halben Jahrhundert ebenso gewalt- wie erfolglosen Widerstands gegen Rassismus und Ausbeutung entschied sich der 1912 noch unter anderem Namen gegründete ANC für den bewaffneten Kampf. Es war seine Antwort auf das 1961 erlassene Verbot des ANC und der kleineren Konkurrenzorganisation PAC.

Mandela wollte mit Gegengewalt den Kreislauf der Gewalt unterbrechen und so diplomatische Lösungen ermöglichen. An dieser Vorgabe hat sich für den ANC bis heute wenig geändert. Einerseits haben die bejahrten ANC-Führer das Apartheid-Regime gerade in letzter Zeit auf diplomatischer Ebene international isolieren können. Andererseits drängen die „Jungen Löwen“, wie die ANC-Generation genannt wird, die in den Trainingslagern in den Frontstaaten heranwächst, auf militärische Aktionen. Im ANC-Hauptquartier in Lusaka besteht Einigkeit darüber, daß die Sabotageanschläge in Südafrika ausgeweitet werden müssen. Denn die Anschläge zu Beginn der 80er Jahre sollen ausschlaggebend gewesen sein für das Anwachsen des Widerstands in Südafrika. Es besteht allerdings auch Einigkeit darüber, daß die militärischen Erfolge die diplomatischen Initiativen gefährden. Da der 1987 von ANC-Führer Oliver Tambo in Erwartung eines großen Volksaufstandes ausgerufene „Volkskrieg“ an dem bereits 1986 erlassenen Ausnahmezustand scheiterte, bleibt den ANC -Strategen auch gar nichts anderes übrig, als sich auf diplomatische Initiativen zu konzentrieren.

Seit Jahren wird über die Freilassung Mandelas spekuliert. Doch das Regime hat Angst vor dem Mann, der im Gefängnis alt geworden ist, dessen Ideen und politischen Analysen aber auch für die jüngeren Generationen schwarzer Südafrikaner im Exil und in den Townships Geltung haben. Falls Mandela im Gefängnis stirbt, könnte es zu einem gewaltsamen Aufstand kommen. Andererseits befürchten die Apartheid-Strategen, daß auch die mit seiner Freilassung verbundenen Erwartungen den Widerstand gegen ihr Regime anstacheln könnten. Offiziell hat Rassistenchef Botha dem Häftling schon oft die Freilassung angeboten. Einzige Bedingung: Er müsse der Gewalt als politischem Mittel abschwören. Bislang blieb Mandela seiner Maxime treu: Mit Gegengewalt den Kreislauf der herrschenden Gewalt zu unterbrechen. Das Apartheid -Regime ist allerdings auch nach 26 Jahren gewaltsamen Widerstands nicht bereit, seine gewalttätige Politik zu beenden. Daran wird sich so lange nichts ändern, wie Südafrikas wichtigste Handelspartner ihre Unterstützung für das Apartheid-Regime nicht einstellen. Sie haben Mandela an die Kerkermeister verraten. Jetzt liegt es an ihnen, wann Mandela freigelassen wird.

Michael Fischer