Die Schergen der Doberfamilie

Arabiata: Wie ein tapferer Korrespondent einmal den König von Jordanien rettete (1)

Prophet Mohammed war ein Katzenfreund, Hunde schätzte er allenfalls als Wachtiere

Fast jeden Abend sitze ich in meinem Gartenschaukelstuhl und sinne über die vergangenen Monate nach. Es war eine harte, eine schwere Zeit. Aber am Ende habe ich einen Sieg errungen! Wann immer mir die Geschehnisse durch den Kopf gehen, huscht ein Lächeln über mein Gesicht, ich betrachte voller Genugtuung mein palmengesäumtes Reich und lasse wohlwollend den Blick auf meinen Rosen ruhen. Ja, ich habe den König von Jordanien vorm Untergang bewahrt – und er weiß es nicht einmal.

Begonnen hatte alles ganz harmlos. Als ich nach Jordanien zog, dachte ich, „super, das ist ein arabisches, überwiegend muslimisches Land. Da kann ich schön in der Wüste joggen und hab nicht dauernd einen Niedlichen-Kleinen-der-tut-gar-nichts am Hintern hängen. Kamelhengste beißen zumeist nur ihre Reiter.“ Dass es viele Hunde in Jordanien gäbe, zumal in Amman, schloss ich sowieso aus. Mein kühl berechnetes Kalkül: Prophet Mohammed war ein ausgesprochener Katzenfreund, Hunde schätzte er allenfalls als Wachtiere.

In Jordanien gibt es tatsächlich kaum Hunde, zumindest längst nicht so viele wie in Deutschland. Die wenigen Hunde aber, die es in Amman gibt, wohnen alle in meinem Viertel. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nie in meine jetzige Behausung gezogen. Aber als ich seinerzeit mit einem Makler auf Hausschau umherzog, waren sie gerade im Urlaub. Alle. Jedenfalls habe ich sie weder gesehen noch gehört – und sogleich einen Mietvertrag über ein volles Jahr unterschrieben. Kurz nachdem die Möbelpacker jedoch mein neues jordanisches Zuhause eingeräumt hatten, krochen sie hervor: ein Pudel, ein Rottweiler und diverse Promenadenmischungen jeder Cöteur. Zudem stellte sich heraus, dass sich gleich im Haus gegenüber ein damals noch allein stehender Dobermann ein paar Menschen hielt, aber hauptsächlich den lieben langen Tag lang – und vor allem die Nacht hindurch – bellte. Er hoffte wohl, dass ihn eine Doberfrau erhören würde.

Vor einigen Monaten war ihm das Glück hold – und mir das Unglück. Denn: Innerhalb kürzester Zeit gründeten Dobermann und Doberfrau eine Doberfamilie mit belle und schreibe zehn Doberbabys. Und ihrem Gekläffe nach zu urteilen waren auch sie schon von Geburt an familiengründungswillig.

Das war zu viel. Ich klingelte an der Hütte der Doberfamilie und hoffte auf Einsicht. Ich maunzte heuchlerisch einen „Guten Tag“, um dann recht schnell meine Forderungen zu präsentieren: Ich verlangte, dass die Hunde zu ihren Menschen zögen, jedenfalls nicht mehr lauthals bellten. Mein Ansinnen provozierte lediglich Lefzen schäumendes Gelächter.

In den folgenden Wochen wuchs die Brut, jedenfalls vor meinem inneren Holzauge. Aus zehnen wurden 50; aus 50 250, aus 250 1.250, aus 1.250 6.250, aus 6.250 31.250 … Irgendwann wurde mir klar, dass Jordanien bei einem solchen Hundebevölkerungswachstum innerhalb weniger Jahre zur Heimat eines riesigen Doberstammes würde. Nach zwei Dekaden, so schwante mir, müssten die heute noch fünf Millionen menschlichen Einwohner Jordaniens ihr Land mit ebenso vielen hündlichen teilen. Es wäre bloß eine Frage der Zeit, bis die Schergen der Dobermanns nach dem Thron des Königs strebten. Wahrscheinlich, mutmaßte ich, hatte das Oberhaupt der Doberfamilie sich sogar vorgenommen, den König blutig zu stürzen: Der Dobermann hatte Pläne geschmiedet, um den königlichen Palast in eine Hundehütte zu verwandeln.

Schlagartig wusste ich, dass ich das verhindern müsste, und schwor, den König zu retten.

Fortsetzung morgen …

BJÖRN BLASCHKE