„Ich war der Kanzler“

Der Panzer-Deal mit Saudi-Arabien war Chefsache, sagt Helmut Kohl. Und fragt: Warum wurde Pfahls geschmiert?

AUS AUGSBURG MAX HÄGLER

Im Puzzle um Waffenlieferungen zu Kanzler Kohls Zeiten wurden gestern im Augsburger Landgericht entscheidende Steine gelegt – zumindest im Hinblick auf den Angeklagten: „Es war eine Cheffrage und Herr Pfahls war tatsächlich nur ausführendes Organ“, sagte Staatsanwalt Reinhard Nemetz direkt im Anschluss an die Aussage des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl zu den Lieferungen von 36 Spürpanzern nach Saudi-Arabien. Die Staatsanwaltschaft rückt deshalb vom Vorwurf der Bestechlichkeit ab, Pfahls wird jetzt nur mehr der Vorteilsnahme angeklagt. „Das ist auch ein Korruptionsdelikt“, wie Nemetz betont, aber eben nicht so schwerwiegend.

Dem ehemaligen Rüstungsstaatssekretär droht eine Gefängnisstrafe von höchstens 2 Jahren und 3 Monaten, die wohl spätestens im September zur Bewährung ausgesetzt wird – am 11. August soll das Urteil gesprochen werden. Pfahls nutzte Kohls Auftritt, um sich zu entschuldigen: „Es wäre sicherlich abwegig, das persönliche Fehlverhalten eines Einzelnen als Maßstab für das Ansehen einer ganzen Regierung anzuwenden“, verlas Pfahls’ Rechtsanwalt am Ende des Sitzungstages.

Der Exregierungschef war samt einem halben Dutzend Personenschützern als Höhepunkt einer Reihe prominenter Zeugen vor der Strafkammer erschienen und gab Auskunft. „Gerne“, wie er gleich zu Anfang betonte, schließlich habe er „eine tiefsitzende Abneigung gegen Agenten der Rüstungsindustrie“.

Einmal nach links und einmal nach rechts drehte Kohl sich um, nachdem er kurz nach elf auf dem Zeugenstuhl in der Saalmitte Platz genommen hatte. Der Vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister hatte ihn darum gebeten, „für die Medien“. Dann begann der Exkanzler mit einer geschichtlichen Einordnung der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien: „Manches ist nur aus der damaligen Situation heraus verständlich. Am 2. August 1990 hatte Saddam Hussein Kuwait überfallen.“ Vor dem Hintergrund des Irakkrieges, der Wiedervereinigung Deutschlands und der dazu notwendigen Zustimmung der Siegermächte habe er sich der Bitte der Amerikaner um Lieferung der Fahrzeuge in das von Saddams Raketen bedrohte Land nicht widersetzen wollen. „Am 15. September 1990 kam Baker aus Moskau“ – im Gepäck die Zustimmung zur Wiedervereinigung. Dabei habe er dem US-Außenminister dann „das Wort“ gegeben, die Panzerlieferung zu genehmigen. „Es gab keine Zweifel, dass ich das durchsetzen werde. Ich war Bundeskanzler.“ Das Versprechen habe er geheim gehalten. „Wir waren im Wahlkampf, ich habe alles getan, um mir das Leben zu erleichtern.“ Kohl fürchtete eine schlechte Presse vor der Bundestagswahl im Dezember 1990.

Mit Kohls pragmatischer Richtlinienkompetenz wurde die Fuchs-Lieferung dann auch am 27. Februar 1991 beim eigentlich zuständigen Bundessicherheitsrat behandelt: „Ich habe das nicht ausgezählt, sondern nur gefragt, ob es Widerspruch gab.“ Die Entscheidung war einstimmig.

„Wenn Sie das auf sich wirken lassen, verstehe ich nicht, wieso Geld gezahlt worden ist, obwohl es nicht notwendig war“, bewertete Kohl die Schmiergeldzahlungen an Pfahls. Und: „Ich selbst war nie bestechlich und werde es auch nicht sein.“ Auch eine vorgelegte Aktennotiz aus dem Hause Thyssen vom 7. September 1990 – also bereits eine Woche vor dem Baker-Besuch – konnte ihn nicht aus der Ruhe bringen. Darin ist ein „Meeting“ zwischen Saudis und dem Waffendealer Karlheinz Schreiber zwecks Fuchs-Lieferungen nach Saudi-Arabien festgehalten. Für Kohl ein Grund mehr für seine Abneigung gegenüber Waffenlobbyisten. „Die können in einer Weise agieren, die kaum denkbar ist.“

Bis zur Aussage Kohls hatte die Staatsanwalt angenommen, dass Pfahls den Fuchs-Deal beim widerspenstigen Außenministerium und auf der Hardthöhe durch setzte. Doch schon vor Kohl hatten die Zeugen Klaus Kinkel, Hans-Dietrich Genscher und Theo Waigel als damalige Regierungsmitglieder angegeben, dass die 440 Millionen Mark schwere Lieferung der Spürfahrzeuge eine Regierungsentscheidung war und sie nicht wüssten, ob Pfahls irgendwelchen Einfluss genommen habe. Für die Staatsanwaltschaft ist mit dieser „entscheidenden Aussage“ klar: Pfahls hat die 3,8 Millionen Mark von Schreiber überwiesen bekommen, „damit kein zusätzlicher Sand ins Getriebe kommt“. Ob der Chefdealer Schreiber selbst jemals nach Augsburg kommt, ist allerdings unklar. „Ich hoffe es“, sagt Richter Hofmeister gegenüber der taz. „Er wäre der wirkliche Schlüssel zur Lösung.“