Wirtschaftsverhör
: Karrierewunsch

■ AN-Geschäftsführer Heinz Bollweg würde gern bei Gorbatschow Wirtschaftsberater werden

taz: Du warst früher Geschäftsführer bei der taz in Berlin und bist dann Chef eines selbstverwalteten Industriebetriebes geworden. Was war da anders? Heinz Bollweg: Ich hatte mir vorgestellt, daß die Arbeiter bei der Übernahme ihres Betriebes disziplinierter sind als die Leute bei der taz. Aber als die Selbstverwaltung eingeführt war, hat ein großer Teil der Kollegen seine Arbeitertugenden schnell verloren. Sie haben eine sehr abwartende Haltung zur eigenen Arbeitsleistung entwickelt, kamen nicht mehr so pünktlich wie früher. Es gab so Erscheinungen, wie sie im realen Sozialismus wahrscheinlich auch beklagt werden. Und du mußtest den Chef spielen? Letzten Endes ja. Die Belegschaft hat von mir zweierlei erwartet, was nicht richtig sein kann: das Unternehmen zu führen, die Firma am Markt zu plazieren und gleichzeitig im Auftrag der Belegschaft die Selbstverwaltung zu garantieren. Das war eine falsche Konzeption. Selbstverwaltung und die demokratische Struktur des Betriebes kann nicht von der Spitze gestaltet werden. Das muß aus der Belegschaft kommen, die muß da die Initiativkraft sein. Im Zweifelsfall lag ich mit meiner Doppelrolle immer falsch: Wenn ich jemanden diszipliniert habe, hieß es: „Du läßt den Geschäftsführer raushängen“, habe ich es nicht getan, hieß es, daß ich das Unternehmen nicht führe. Warum bist du bei AN ausgestiegen? Ich bin in die Position eines idealistischen Unternehmers geraten, und das ist nicht mein Lebensziel. Ich habe das eine Weile mitgemacht, im Interesse des Betriebes. Aber eigentlich wollte ich nur Katalysator eines Prozesses sein, und diesen Prozeß nicht als Unternehmer gestalten. Kann Selbstverwaltung in der Industrie überhaupt funktionieren? Ich bezweifel das, weil es sich bei AN gezeigt hat, daß wir letzten Endes doch nicht ohne Hierarchie auskommen konnten. Es gibt ja nur wenige Arbeiter, die Selbstverwaltung leben, anstatt sie nur von der Geschäftsleitung zu fordern. An diesen wenigen hatten wir unsere Betriebsstruktur erstmal ausgerichtet, und damit sind wir gescheitert. Ich glaube auch nicht, daß Selbstverwaltung ein Fanal setzen kann, das die übrige Wirtschaft verändert. Was ich an Veränderungswillen habe, das konnte ich bei AN zu wenig verwirklichen. Was willst du jetzt tun? Ein Traum wäre natürlich: Wirtschaftsberater bei Gorbatschow. Ich werde jetzt erstmal meine Erfahrungen verarbeiten und mir dann eine neue Aufgabe suchen. Interview: Michael Weisfeld