KOMMENTAR
: Nach dem Grütze-Essen

■ Nonsense-Mahl mit Kapitänen im Bremer Rathaus

Die Alpenrepublik Österreich soll ja mehr Feiertage haben, weil die da eben alle katholisch sind. Aber was das feierliche – und zugleich wirtschaftliche – Essen angeht, da macht uns Bremern sicher keiner was vor: Schaffermahl, Eiswette, Mahl der Arbeit, und weils noch nicht genug zu sein schien, haben die Vorväter unserer Senatoren vor 22 Jahren noch ein neues Essen in den Kalender gedrückt: den Kapitänstag.

Auch nachdem der diesjährige überstanden ist, weiß ich nicht, was die 300 Herren da gefeiert haben. Die Bremer essen Fisch und Rote Grütze. Dann schicken sie ihre Kapitäne wieder übers Meer. Sie kaufen Baumwolle und Kaffee, handeln mit Maschinen und Waffen, heuern billige kaffeebraune Matrosen an, machen also gerade Geschäfte und auch krumme. Na, und? Entsprechend liefen sie gestern durch die Rathhaushalle: Männer der Tat. In den besten oder zweitbesten Jahren. Energisch. Leicht bissig, wie das Geschäftsleben sie halt schuf. Viele ein bißchen fett. Aber alle stolz: Sie gelten so viel, daß sie eingeladen worden sind. Ob das der tiefere Sinn des gemeinsamen Grütze-Essens ist?

Michael Weisfeld