Hafentage: Eine dicke Feier...

■ Heute wird die Hafenausstellung auf dem Domshof eröffnet / Weserkorrektion und Europahafen werden 100 Jahre alt / Schiffe nach Bremen geholt und den Fluß zerstört / Alternative Bremerhaven abgelehnt

Gestern ging's los: Riesige Gabelstapler schleppten zehn Seecontainer vom Hansator durch die Obernstraße zum Domshof. Ihr Inhalt: Eine Ausstellung über die letzten 100 Jahre Hafengeschichte. Heute um 18 Uhr werden die Klapptüren der Stahlbehälter aufgehen. Von da an bis zum 15. Oktober können die BremerInnen das Wollen und Werden ihrer Hafenanlagen und Hafenbetriebe bestaunen.

Vor 100 Jahren wurde der Europahafen in Walle fertiggestellt und seiner Bestimmung übergeben. Das ist der Anlaß der jetzigen Feier. Der Europahafen war der erste moderne Seehafen in Bremen, er verschaffte der Stadt die entscheidende Verkehrsverbindung zu den Kolonien.

Sinnvoll wurde der Ausbau der stadtbremischen Häfen nur unter einer Bedingung: Die Weser mußte von der Stadt bis zum offenen Meer für Seeschiffe befahrbar sein. Im vorigen Jahrhundert konnten die Bremer Wirtschaftskapitäne davon nur träumen: Bei Elsfleth hatte der Fluß nur noch eine Tiefe von 60 Zentimetern. Bremen war auf dem Wege, zu einem Landstädtchen zurückzuschrumpfen. Der Retter der Bremer Hafenwirtschaft war Oberbaurat und wird in einem der Ausstellungs-Container eingehend gewürdigt: Ludwig Franzius. Seine Ideen setzten vor mehr als 100 Jahren die „Weserkorrek

tion“ in Gang. Die Seitenarme des sich gemächlich durch die Tiefebende windenden Flusses wurden gekappt, dem Strom wurde durch Leitdämme die Richtung gewiesen. Aus dem gemütlichen, mäandrierenden Wasserlauf wurde ein Industriekanal. Franzius‘ zündende Idee: Vom Weserwehr an mußte der Fluß die Form eines Trichters haben. Nur so konnte erreicht werden, daß er überall mit der gleichen Geschwindigkeit strömt. Bei Flut hinauf bis Bremen, bei Ebbe hinunter bis in die Nordsee. So brachte Franzius fertig, was die Bremer Wirtschaft mit der Welt verband, und ihr zudem so billig kam: eine sich selbst ausbaggernde Weser. Denn: Der Ebbstrom nahm die Sandmassen, die die Weser aus dem Bergland in ihren Unterlauf schwemmte, mit hinaus in die See. Kaum mit dieser Arbeit fertig, hat Franzius sich an die Pläne für den Europahafen gemacht.

Bremerhavener Wünsche, die Überseehäfen dort zu bauen, wurden damals von der Bremer Kaufmannschaft niedergebügelt. Hätten die Bremerhavener sich durchgesetzt, die Zerstörung der Unterweser durch die Korrektion wäre uns erspart geblieben.

Gleichwohl: Korrektion und Hafenbau werden seit heute in Bremen gefeiert. Mit Politikerreden, mit Kulturprogrammen, mit einem festlichen Empfang im

Rathaus. Sogar „Maritime Filmtage“ werden heute im Bremerhavener Schiffahrtsmuseum eröffnet. Zehn Filme zu Schiffahrts- themen sollen dort gezeigt werden. Einer von ihnen: „Feuerschiff Kiel lernt segeln“. Dieser Film behandelt den Umbau des Feuerschiffs zur Dreimastbark „Alexander von Humboldt“.

Ausrichter der Hafentage ist der Bremer Hafensenator. Er wolle „das Bewußtsein stärken,

daß wir einen Hafen haben“, sagte er kürzlich zum Zweck des Spektakels. In der Vergangenheit habe die Bremer Hafenwirtschaft immer schnell auf technische Neuerungen reagiert, um international vorn zu bleiben. Dazu brauche man die Unterstützung der Bevölkerung. Die soll auch in Zukunft akzeptieren, wenn für Hafeninvestitionen mal Schulden gemacht werden müssen.

Michael Weisfeld