Die künftige Außenpolitik: wie aufgewärmte Milch

Bush und seine Mannen sind sichtlich überfordert. Auf Gorbatschows Angebot, den Kalten Krieg endgültig beizulegen und gemeinsam den drängenderen Problemen der Menschheit ins Auge zu sehen, reagiert auch die künftige US-Regierung mit altbekannt unbestimmter Rhetorik: Die Vorschläge aus Moskau werde man sorgfältig prüfen, die Vorleistungen von dort seien jedoch noch „nicht ausreichend“. Ein Gipfeltreffen in naher Zukunft nennt Bush „unwahrscheinlich“ - wie er selbst zugibt, ist ihm noch kein eigenes Konzept beispielsweise für die Genfer START-Verhandlungen über eine Reduzierung der Langstreckenraketen eingefallen.

Sein Außenminister James Baker, der in Washington auch als heimlicher „zweiter Präsident“ gehandelt wird, orakelt ähnlich vage: Er will zwar an der engen Auslegung des ABM -Vertrages (über das Verbot von Raketenabwehrsystem im Weltraum) festhalten, sich aber gleichzeitig die Option auf die „weite Auslegung“ offenlassen, um die Entwicklung von SDI nicht zu behindern. Reagans Zustimmung zu Gorbatschows Steckenpferd, 1991 in Moskau eine internationale Menschenrechtskonferenz durchzuführen, nennt er voreilig, will sich aber daran halten. Die Sowjetunion hält er für eine militärisch hoch gerüstete Supermacht, deren historischen Wandlungsprozeß er mit Vorsicht beobachten will. Gleichzeitig schlägt er eine Zusammenarbeit der beiden Supermächte bei globalen Problemen wie Terrorismus, Rauschgift und Umweltverschmutzung vor.

Mit den europäischen Verbündeten will er verstärkt „diskutieren“, wie auf Gorbatschows Perestroika zu reagieren ist. Die inneren Reformen seien zu begrüßen, trotzdem werde er westliche Zugeständnisse, die Gorbatschow bei seinem Reformprozeß helfen, begrenzen. Die vor kurzem von den europäischen Staaten an die Sowjetunion verliehenen Kredite in Milliardenhöhe verteidigt Baker immerhin.

Als der künftige Außenminister sich in dieser Woche vor dem Senat, der seine Ernennung noch bestätigen muß, einer Befragung unterziehen mußte, bekannte er sich auch zur traditionellen Interventionspolitik gegenüber Ländern der Dritten Welt: Grundsätzlich sei er zwar dagegen, Wahlen in anderen Ländern zu beeinflussen. In einigen Fällen - dabei spielte er offensichtlich auf Mittelamerika an - müsse jedoch eine Ausnahme möglich sein. Von einer geheimen Unterstützung des Präsidentschaftswahlkampfs der Christdemokraten in El Salvador durch die Reagan-Regierung gab Baker jedoch vor, nichts zu wissen. Eine solche Wahlhilfe glaubt der erzkonservative Senator Jesse Helms ausgemacht zu haben, der seinerseits in El Salvador lieber die rechtsradikale Arena-Partei als Sieger sähe.

Doch die Reagan-Doktrin, wonach Rebellengruppen in kommunistisch regierten Ländern von der US-Regierung unterstützt werden, hat seiner Auskunft nach weiter Gültigkeit. Unter seiner Ägide soll mit beiden Parteien im Kongreß auf Grundlage des Arias-Friedensplans eine neue Politik für die Region entwickelt werden. Wie die neue Politik genau aussehen soll, wollte er den Senatoren nicht verraten. Statt dessen bediente er sich Reagans Standardformel zu Nicaraguas Contra: „Der demokratische Widerstand darf nicht allein gelassen werden.“ Die Contras sollten weiter sogenannte „nicht-militärische“ Hilfe erhalten. Auf eine Nachfrage des Contra-Gegners Christopher Dodd deutete Baker an, er erwarte nicht, daß die Bush -Regierung demnächst Militärhilfe vom Kongreß beantragen werde. Er wolle sich auf jeden Fall „an die Gesetze halten“. Eine Wiederholung der Iran-Contra-Affäre, als Reagan -Mitarbeiter trotz des Verbots durch den Kongreß den Contra -Krieg mit Drogen- und Geiselhandel finanzierten, sei „ausgeschlossen“.

Zur Nahostpolitik: Da solle der Dialog mit der PLO „nicht mißverstanden“ werden. Er stelle weder die Unterstützung Israels noch die bisherige Linie der US-Regierung in Frage. Auf keinen Fall bedeute die Gesprächsbereitschaft eine Anerkennung der Forderung nach einem unabhängigen palästinensischen Staat.

Welchen Weg er in der Südafrika-Politik einzuschlagen gedenkt, wollte Baker nicht kundtun. Ein Indiz: Er kritisierte die vom Kongreß verhängten Sanktionen gegen Südafrika („Sie sind wirkungslos geblieben“). Den angolanischen UNITA-Rebellen sicherte er schon mal vorab seine Unterstützung zu.

Daß mit derlei widersprüchlichen und vagen Aussagen kein politischer Blumentopf zu gewinnen ist, erkannte auch Bush. In den letzten Tagen ließ er vorsorglich ankündigen, daß er am 9.Februar ein detailliertes politisches Programm vorlegen wird.

Ob ihm dabei der Abschied vom liebgewonnen Blick auf die Welt durch das Ost-West-Prisma gelingen wird, halten selbst langgediente politische Beamte für unwahrscheinlich. Das neue Team aus altbekannten Profis wird von der 'New York Times‘ als „aufgewärmte Milch“ bezeichnet. Es werde ihnen schwerfallen, die ihnen in den Schoß gefallene Chance wahrzunehmen, die Gorbatschows Herausforderung darstellt.

Wie richtig diese Zweifel sind, belegt die Richtung, in die die US-Strategen zur Zeit diskutieren: Wieviel militärische Macht ist nötig und auf wen sind die Kosten abwälzbar, um sowohl gegenüber der immer noch als gefährlichstem Gegner eingestuften Sowjetunion handlungsfähig zu bleiben und gleichzeitig die globalen Supermacht-Interessen durchzusetzen?

Michael Fischer