Schnaps ist Schnaps und Dienst ist Dienst

Der oberste US-Aufrüster in spe, John Tower, soll trockengelegt werden  ■  Von Michael Fischer

Berlin (taz) - Weltmachtchauvinismus der absurden Art wird derzeit in Washington aufgeführt: Der oberste Aufrüster in spe soll trockengelegt werden. „Ich schwöre“, sagte der umstrittene Aspirant für den Chefsessel im Pentagon am Sonntag im Fernsehen, „während meiner Amtszeit keinen Tropfen Alkohol anzurühren, weder Bier und Wein, noch irgendeine andere Art“.

Für den armen Menschen beginnt der Ernst des Lebens, falls der US-Senat seiner Nominierung diese Woche doch noch zustimmen sollte. Auf Schritt und Tritt werden ihm dann Journalisten und Privatdetektive folgen, um zu überprüfen, was der Herr Rüstungsminister an Flüssigem zu sich nimmt. Dessen ganze Phantasie wird sich darauf konzentrieren, den Kontrolleuren ein Schnippchen zu schlagen: Schnaps aus Perrierfläschchen, Wein aus Gemüsesaftcontainern, Bierdosen in braunen Einkaufstüten, wie das Gebräu millionenfach in den USA verbotenerweise auf den Straßen getrunken wird. Währenddessen, so befürchtet Towers Widersacher im Senat, Sam Nunn, verlottert das Pentagon weiter. „Ich kann nicht guten Gewissens jemand an die Spitze der Befehlshierarchie wählen, der nicht einmal als Kommandeur einer Raketenstaffel in Frage käme“.

Um seinem schärfsten Kritiker den Wind aus den Segeln zu nehmen, wird Frauenheld Tower vor Millionen sex-, drogen und spritsüchtigen TV-Abhängigen sicher auch dem Laster der Vielweiberei abschwören müssen. Denn neben Alkoholismus und Bestechlichkeit wird dem Berufschauvinist noch „Womenizing“ vorgeworfen. Diese Art von Einstellungsriten sollten auch in der Bundesrepublik eingeführt werden: Ein köstlicher Gedanke, die Grimassen von Rüstungsminister Scholz im TV zu beobachten, wenn er schwört, mit keiner anderen Frau mehr zu bumsen als mit seiner eigenen. Mit dem Nominierungsprozeß von John Tower ist der Unterhaltungswert der Washingtoner Politik eindeutig gestiegen. Durch sein Zögern hat der Senat dem zukünftigen Pentagon-Chef zu ungeahnter Popularität verholfen. Deshalb kann auch Bush zu seinem langjährigen Freund stehen, ohne sich zu blamieren. Nach Ansicht des Präsidenten sind die gegen Tower vorgebrachten Vorwürfe von „zu niedrigem Niveau“. Daß die Vorhaltungen, Tower sei ein Gewohnheitstrinker und führe ein ausschweifendes Sexualleben, sich negativ auf die neue Regierung auswirken werde, scheint Bush nicht zu glauben. Im neuen Senat sitzen 55 Demokraten und 45 Republikaner. Um die Bestätigung Towers durchzusetzen, muß Bush mindestens fünf Demokraten von den Qualitäten seines Kandidaten überzeugen. Im lasterhaften Washington müßte es ihm zweifelsfrei leichtfallen, zumal die fachlichen Qualitäten seines Schützlings als Aufrüster nie umstritten waren.