Wer bestimmt die Rüstungspolitik der USA?

Der gesundheitlich angeschlagene Richard Cheney wurde als neuer US-Verteidigungsminister bestätigt / Senator Nunn verzeichnet nach seinem Sieg in Sachen Tower einen weiteren Machtzuwachs / Produktion des „Stealth„-Bombers um zwei Jahre verschoben  ■  Von Michael Fischer

Berlin (taz) - Die Gralshüter US-amerikanischer Moral sind müde geworden. Im Kampf gegen den kleinen Kollegen mit dem starken texanischen Ego haben die Senatoren ihre geballte Scheinheiligkeit verbraucht. Und schließlich ist Machthunger in Washington weit weniger verpönt als Trunksucht und Frauenanmache. Deshalb stört sich auch das skandalverwöhnte Publikum nicht daran, daß die Senatoren gestern einen Mann zum neuen Pentagonchef wählten, der eigentlich ins Sanatorium gehört. Trotz drei Herzinfarkten und einer Bypass -Operation sieht sich der 48jährige republikanische Abgeordnete Richard Cheney als der Richtige für diesen stressigen Job. Die Macht hat sich schließlich auch schon für ältere und kränkere Männer als Jungbrunnen erwiesen.

Noch ist allerdings unklar, ob Cheney dem Amt auch gewachsen ist, oder ob er vom Senat nur bestätigt wurde, weil er dessen Grauer Eminenz in Rüstungsfragen, Sam Nunn, nichts entgegenzusetzen hat. Nunn hat die Machtprobe zwischen Senat und Weißem Haus um John Tower gewonnen. Wer sollte ihn jetzt noch daran hindern, US-amerikanische Rüstungspolitik vom Kongreß aus zu bestimmen?

Cheney ist kein Rüstungsexperte, aber ansonsten ist er sich jedoch in vielen Fragen mit Nunn einig: von gezielter Aufrüstung bis zur Unterstützung der Contra. Außerdem muß sich der neue Pentagonchef erst einmal mit seiner neuen Aufgabe vertraut machen. 3,1 Millionen Untergebene wollen geführt, die vier um Geld und Einfluß streitenden Teilstreitkräfte müssen gebändigt werden. Cheney fällt die leidige Aufgabe zu, Kürzungen gegen die einzelnen Bereiche und die an Superprofite gewöhnten Rüstungsfirmen durchzusetzen.

Erstes Opfer ist der 500 Millionen Dollar teure „Stealth„ -Bomber, der demnächst zu seinem für Radaranlagen unsichtbaren Jungfernflug starten sollte. Seine Produktion wird um zwei Jahre verschoben. Dafür gab Luftwaffengeneral Ronald Yates zu, daß mit der zur Zeit laufenden Modernisierung der luftgestützten Atomraketen „Sram-T“ das INF-Abkommen unterlaufen wird.

Bush selbst hat der schleichenden Auslagerung der Richtlinienkompetenz für Rüstungsfragen auch nichts entgegenzusetzen. „Where was Bush?“ Die rhetorische Frage, die Bush schon im Wahlkampf zu schaffen machte, gewinnt angesichts der Untätigkeit der neuen Regierung wieder an Popularität. Fast zwei Monate nach seinem Amtsantritt sind viele der über 600 Führungsposten der Administration noch unbesetzt. Entsprechend bleibt Bushs Wahlkampfversprechen, „ein gütigeres und sanfteres Amerika“ schaffen zu wollen, eine bloße Absichtserklärung. Schließlich fehlt es an konkreten Vorgaben und an den Leuten, die sie umsetzen könnten.

Bereits im Wahlkampf bereitete es Bush Schwierigkeiten zu begründen, warum er Präsident werden wollte. Daran scheint sich bisher nichts geändert zu haben. Vielleicht muß Bush sich aber auch erst an die ungewohnte Rolle gewöhnen, offiziell Politik zu machen, statt wie bisher illegal Geheimdiplomatie aus dem Keller des Weißen Hauses heraus zu betreiben. Während seiner Zeit als Vizepräsident sollen in seinem Büro die Drähte der Schattenregierung zusammengelaufen sein, die mit Waffen- und Drogenhändlern zusammenarbeitete, um die Contra auch nach einem Kongreßverbot mit Waffen zu versorgen. Noch hat Bush sein wahres Gesicht nicht gezeigt, sein offizieller Handlungsspielraum ist allerdings durch Reagans Erblasten stark eingeschränkt.