Recht gehabt - ätsch!

■ Der Rechtsanwalt Christian Ströbele über den späten Sieg in Sachen Polizeikessel / Eine späte Replik auf eine 'Tagesspiegel'-Kolumne, die am 14.6. 1987 aktuell zum Thema erschien

Gleich nachdem US-Präsident Reagan die Stadt verlassen hatte, war Polizeisenator Kewenig zum Polizeikessel auf dem Tauentzien begeistert geeilt. Drei Tage später vor dem Innenausschuß erklärte er den Kessel für rechtmäßig, „absolut notwendig, außerordentlich erfolgreich“ und kündigte selbstsicher die Wiederholung an. 1988 verstieg sich der Rechtsprofessor Kewenig zu der Argumentation, die Klagen gegen den Kessel würden von „ganz normalen Anwaltsbüros“ und nicht von „linken Anwälten“ vertreten und daraus sei zu schließen, die Polizeimaßnahmen seien nicht rechtswidrig gewesen. Die fünf Richter des Verwaltungsgerichts konnten dem nicht folgen. Vor den polizeilichen Eskapaden des ehemaligen Senators sind wir inzwischen halbwegs sicher, weil er abgewählt wurde, aber was ist mit der Juristerei?

Die 'FAZ‘ schrieb über den Polizeikessel am Tauentzien: „Eine korrekte Polizeitaktik“. Auch der sonst so liberale Matthes vom 'Tagesspiegel‘ fand, der Vergleich des Tauentzienkessels mit dem Hamburger Kessel sei untauglich, wußte er doch, daß die 200 Eingeschlossenen jederzeit hätten rauskommen können. Er bescheinigte der Polizei „Augenmaß“ bei dieser Maßnahme. Die Kammer des Verwaltungsgerichts hat ihm nicht recht gegeben. Auch für Journalisten gilt: Erst die Fakten ergründen, dann urteilen.

Nicht das Urteil des Verwaltungsgerichts bringt die „polizeitaktischer Steinzeit“, wie die Polizei in dem Prozeß befürchtet hat, sondern das Denken des Polizeivertreters, der von den Eingeschlossenen als „wabernde Masse“ spricht. Solange Polzeiführer Demonstrantengruppen als „Klientel, das der polizeilichen Behandlung bedarf“, sehen, haben sie nichts kapiert. Erst wenn sie begreifen, das es sich bei den Menschen um Träger von Freiheitsrechten handelt, werden sie verstehen, daß das Einschließen und Festhalten der Leute schwerwiegende Eingriffe in die persönliche Freiheit sind, die nun mal nach dem Grundgesetz grundsätzlich verboten sind. Bis dahin bleibt den SEK-Chefs der Polizei, die noch am letzten Prozeßtag die Empörung darüber, daß der Rechtsanwalt es fertiggebracht hat, „mehrfach auf das Gesamtgeschehen einzuwirken“ und die Eingeschlossenen darauf hingewiesen hatte, die Maßnahmen seien rechtswidrig und begründeten Schadensersatz. Mir bleibt nur festzuhalten: Recht gehabt hab ich.

Christian Ströbele