Künstler klagen - Politiker antworten

Rosenmontagssitzung am Runden Tisch  ■ K O M M E N T A R

Während sich in der einstigen Heldenstadt Leipzig 20.000 zur traditionellen Montagsdemo rüsteten und diesmal die schwarz -rot-goldenen Flaggen gegen Pappnasen tauschten, versammelte sich in Ost-Berlin die nüchterne Politprominenz am Runden Tisch. Doch nicht um bei Alaf und Helau Revolutionserinnerungen oder Wiedervereinigungsträume im Alkohol aufzulösen. In gelöster Stimmung, allein wie so oft, die ökumenischen Moderatoren. Geladen war diesmal Kulturminister Keller. Im weißen Sakko gestand er die Verfehlungen einstiger SED-Kulturpolitik und schwor Besserung. Während die ehemaligen Weggefährten vom rechten Flügel bereits an den Beinen des Tisches sägen, auf dem die Demokratie noch ihre Unschuld präsentiert - de Maiziere zweifelt seine Legitimation an -, mutierte Keller moderat vom Kultur- zum Kultusminister. Damit zeigte der Regierungsvertreter mbH mehr Realismus als die künstlernden Kellerkinder und der SPD-verpflichtete Kunstobmann.

Auf den Arbeitsämtern des sterbenden Staates bedient man die Stellungslosen mit Formularen aus bundesdeutschen Büroschränken. Dem Runden Tisch jedoch scheint auch gut drei Wochen vor der Wahl derartiger Pragmatismus fremd. Nachdem der PDS-Minister für seinen Vorstoß in die Marktwirtschaft bereits vor Weihnachten Prügel bezog und sich heute immer noch in Rechtfertigungsgefechte verstrickt sieht, sind die sensiblen Oppositionellen beim Konservieren. Die stalinistischen Bahnen administrativer Kulturpolitik waren in den letzten Jahren zu gut geschmiert, als daß man nicht mit Wehmut ans ruhige Gleiten zurückdächte.

Sicher hat mancher der hier Sitzenden beim Sturm im Wasserglas mehr als nur nasse Füße davongetragen, doch der Abschied vom Staatskünstlertum tut weh. Zu lange hatte in unserem Land die Kreativität Beamtenstatus. Nach der Öffnung der geschützten Werkstätten droht nun das bunte Feigenblatt des Ancien regime zu verdorren. Keine Partei, keine Gewerkschaft, kein Staatsjugendverband und kein VEB zahlt mehr für Bilder, um sie im Keller zu stapeln oder in der Kantine bespötteln zu lassen. Und selbst die uniformierten Mäzene haben in ihrer Angst um den Selbstauflösungsprozeß keine Zeit, um in den Ateliers nach Heldenbildern zu wühlen. Kulturpflichtgesetz und Kulturförderungsmodell sollen wenigstens den Sturz dieser Sphäre in die vom Geld regierte Zukunft polstern. Während die Arbeiter sich um Drei-Mark -Kiwis balgen und derart die Bewegungsformen des Arbeitsmarktes einüben, drehen dieselben Ängste den Künstlern nur die Köpfe nach hinten.

Andre Meier, Jürgen Kuttner (DDR-taz)