Zynische Sichtweise?

■ Betr.: Halbe Kraft vorrück, taz vom 7.3.90

Einige wütende und traurige Anmerkungen zu Euren heutigen Artikeln über die Nicaragua-Solidarität in Bremen.

Nachdem die NicaraguanerInnen die Partei, die am authentischsten die Revolution vertritt, abgewählt hatten, haben sich viele aus der Bremer Solidaritätsbewegung zusammengesetzt. Alle waren betroffen, traurig, einige haben geheult. In langen, intensiven Gesprächen haben wir langsam unsere Sprachlosigkeit überwunden, haben uns gemeinsam erklärt, was in Nicaragua passiert ist und erste tastende Schritte überlegt, wie wir weitermachen können. Gleichzeitig haben etliche Menschen uns gegenüber ausgedrückt, daß die Wahlniederlage der Sandinisten für sie nicht ein fernes Ereignis ist, sondern sie irgendwie persönlich betroffen macht. Auch aus der TAZ-Bremen Redaktion erhielten wir mehrere Anrufe. Öffentlich aber schreibt die Bremen-TAZ: „Reichlich zerbeult, aber politisch gefestigt und frisch für neue Taten, präsentiert sich der Verein Städtesolidarität -Corinto...“. So verarscht Ihr die Menschen, die sich weiterhin politisch engagieren wollen. Ich kenne die in dem Artikel zitierten Personen persönlich sehr gut, weiß wie sie denken und reden. Deshalb bin ich ganz sicher: Der Artikel gibt nichts von den Gedanken dieser Personen wieder, sondern Markus Daschner benutzt nur Zitate, um seine zynische Sichtweise der Realität zu illustrieren. Das ist journalistisch unseriös und kommt auf diese Art in bürgerlichen Zeitungen von einigem Niveau ( wie etwa dem Weser-Kurier oder der Frankfurter Rundschau ) nicht vor. Aber es geht mir um etwas anderes als journalistisches Handwerk!

Ich möchte Euch einfach noch einige Fragen stellen:

Ist diese zynische Schreibe Eure Art der Verarbeitung einer politischen Enttäuschung oder unterstelle ich Euch schon viel zu viel Betroffenheit und Ihr habt schlicht eine zynische Sichtweise der Realität? Ist Euch als Redaktion eigentlich noch klar, daß die Botschaft der Artikel von Markus Daschner ist: Die Leute, die heute noch Politik von unten machen wollen, gehören ins Museum? Igendwie habe ich das Gefühl, daß Ihr nicht nur die Solidaritätsbewegung, sondern auch Euch selbst ganz gewaltig verarscht. Bernd Robben