Keine Bußerklärung der Kirchen

■ Der Weltkirchenrat entschuldigt sich nicht für unkritische Haltung gegenüber Ceausescu

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), Zusammenschluß von 330 protestantischen und orthodoxen Kirchen, sieht sich immer noch nicht in der Lage, seine seit langem heftig kritisierte unkritische Haltung gegenüber Ceausescu und den regimetreuen rumänischen Kirchenleitungen einer eindeutigen Selbstkritik zu unterziehen. Der Zentralausschuß des ÖRK verwarf gestern in Genf zum Abschluß seiner Jahrestagung mehrheitlich sämtliche Anträge, in denen frühere Beschlüsse des Gremiums unzweideutig als verfehlt bedauert werden. Auf seinen beiden Jahrestagungen 1988 und 1989 in Moskau und Hannover hatte der Zentralausschuß - das oberste Leitungsgremium des ÖRK zwischen den Vollversammlungen, die nur alle sieben Jahre stattfinden - trotz umfangreicher Informationen über die Lage in Rumänien kritische Stellungnahmen unterlassen.

Eine deutliche Entschuldigung an die Christen Rumäniens hatten in Genf vor allem Delegierte aus westeuropäischen und nordamerikanischen Kirchen sowie aus der DDR und Ungarn verlangt. Vertreter der orthodoxen Kirchen der UDSSR und Rumäniens sprachen sich dagegen aus. Der Generalsekretär des ÖRK, Emilio Castro, drohte wie schon in Moskau für den Fall eines entsprechenden Beschlusses indirekt mit seinem Rücktritt. Zahlreiche Delegierte empfanden dies als Erpressung.

In einer Rede vor dem Zentralausschuß hatte auch der inzwischen zum Bischof der reformierten Kirche in Rumänien gewählte Pfarrer Laszlo Tökes aus Temesvar den Weltkirchenrat zu einer „Bußerklärung“ aufgerufen. Tökes, eine der Symbolfiguren des Umsturzes, kritisierte, der ÖRK habe sich in der Vergangenheit „zu loyal“ gegenüber den dem Regime Ceausescu ergebenen Leitungen der rumänischen Kirchen verhalten und damit zum „Andauern der Unterdrückung beigetragen“.

Andreas Zumach, Genf