Inhaltlich gähnend leer

■ Betrifft:„Kleiner Zivi-Streik“, taz vom 30. Mai

Was ist los mit der Bremer taz als Sprachrohr für unbequeme Minderheiten, als Gegenöffentlichkeit zur politischen Meinungsmache? Kritischer, aufklärerischer Journalismus steht mit der sachlich fundierten, analytischen Recherche. Barbara Debus‘ Berichterstattung über den Bremer Zivi-Streik ist ein typisches Gegenbeispiel: Locker vom Hocker „gerotzt“ und von keiner Muße geküßt, brachte sie es fertig, in einem zweispaltigen taz-Artikel weniger Sachinformationen zu übermitteln als eine dreizehnzeilige dpa-Meldung, dafür aber viel persööönlichen Kommentar, als Bericht kaschiert. Füe einen uninformierten Leser ergibt sich nach der Lektüre folgendes Bild: Von 1400 Zivis streikten 200 verwirrte Aktivisten, während die verantwortungsbewußte Mehrheit sich weiterhin auf das „Befördern älterer Menschen und Blutkonserven“ konzentrierte. „Meine Jungs waren alle da“, zitierte B. D. einen Rotkreuz-Dienststellenleiter. Die Aktivisten hißten zwar ein gemeinsames Transparent am Bremer Dom, sonst aber „standen die verschiedensten Motive im Vordergrund“, worauf Barbara Debus, bzw. die von ihr zitierte „Sympathisantin“ enttäuscht nach Hause eilten. Im Gegensatz zu den Rechercheuren vom Weserkurier und der Frankfurter Rundschau scheint Barbara Debus weder die Pressemappe noch das Streikflugblatt gelesen, sondern ihre Recherche auf Zufallsinterviews beschränkt zu haben: Kein Wort über die Abschreckungswirkung drohender Disziplinarverfahren, die viele Zivis gerade in der Vereinzelung von Großdienststellen wie dem Roten Kreuz vom verbotenen Streik abhielt, kein Wort von der extrem kurzen, einmonatigen Vorbereitungszeit des Streiks, kein Wort über die Hintergründe von totaler Kriegsdienstverweigerung, kein Wort über die inhaltliche Verknüpfung der „verschiedenen Motive“ der Streikenden, der prinzipiellen Kritik an der militärischen Einplanung des Zivildienstes, der vom Staat als Ergänzung zur Wehrpflicht und sozialen Feuerwehr mißbraucht wird. Auch die politische Situationsanalyse der Rede von Peter Tobiassen (Geschäftsführer der Zentralstelle zum Recht und Schutze der KDVer), der historische Brückenschlag des 2. Weltkriegs-Deserteurs Ludwig Baumann und die Ziviband mit antimilitaristischen Texten waren Barbara Debus keiner Erwähnung wert. Fazit: In D. B.'s subjektiver Enttäuschung (geringe Streikbeteiligung) ging eine objektive Berichterstattung kläglich baden. Außerdem: Seit wann bemißt sich die Substanz und Überzeugungskraft von Argumenten nach ihrer Popularität? PS: Der Fahrdienstleiter des Arbeitersamariterbundes (siehe taz 1.6.90) beschenkt seine Streikbrecher mit zwei Tagen Sonderurlaub.

Im Namen der SO der ZDL in HB und der ZiviVV SFD, Joschka Zmarzlik

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