SPD-Streit um Einsatz der Bundeswehr

SPD-Parteivorstand berät zukünftige Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr bei internationalen Konflikten/ Immer weniger SPDlerInnen gegen Beteiligung an UN-Militäraktionen  ■ Aus Bonn Tina Stadlmayer

Kaum ist der Golfkrieg beendet, da streitet die SPD bereits über eine Beteiligung deutscher Soldaten an den UN-Truppen. Der Parteivorstand — seit der Vereinigung von SPD Ost und SPD West zählt er 51 Mitglieder — diskutierte gestern über einen Vorschlag des Präsidiums: Die SPD solle sich für eine Änderung des Grundgesetzes aussprechen und damit den Einsatz deutscher Soldaten „im Rahmen von friedenssichernden Aktionen der UN und als Blauhelme“ ermöglichen.

Dabei dominierten in jüngster Zeit drei Fragen die SPD-Debatte. „Wollen wir ein Ausweiten des Auftrags der Bundeswehr?“, „Können wir die UNO nur dann stärken, wenn wir uns an ihren Militäraktionen beteiligen?“ Und: „Wie müßte die UNO aussehen, um der Rolle einer Weltpolizei gerecht zu werden?“ Eines ist bereits in den letzten Tagen deutlich geworden: Immer weniger SPD-PolitikerInnen sind — wie Renate Schmidt und Heidi Wieczorek- Zeul — nach wie vor gegen eine Beteiligung der Bundeswehr an UN- Militäraktionen.

Vor vier Monaten hatte zum Beispiel noch Herta Däubler-Gmelin eine Erklärung von 40 Bundestagsabgeordneten unterschrieben: Sie wandte sich gegen „Manipulationen am Grundgesetz, die den weltweiten Einsatz der Bundeswehr eröffnen“. Heute will Herta Däubler-Gmelin das Grundgesetz so ändern, daß es die Beteiligung deutscher Soldaten an UN-Missionen zuläßt. Sie sagt, sie habe ihre Meinung nicht geändert. Denn schließlich gebe es einen Unterschied zwischen irgendwelchen Militäraktionen und richtigen UN-Missionen.

Eine Mehrheit in Parteispitze und Fraktion möchte die Beteiligung deutscher Soldaten am liebsten auf die sogenannten UN-Friedenstruppen beschränken. Außenpolitiker, wie Norbert Gansel, wollen jedoch ausdrücklich auch „Militäraktionen“ in den Beschluß einbeziehen. „Beides ist sowieso nicht voneinander zu trennen“, sagt die künftige bayerische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt. Sie lehnt deshalb eine Änderung des Grundgesetzes ab. Die Sozialdemokratin fordert demokratischere Strukturen für die Vereinten Nationen, erst dann könne man über eine Beteiligung deutscher Soldaten an ihren Missionen reden. Die Mehrheit in Präsidium und Vorstand wird aber wohl eine andere Reihenfolge vorziehen: Erst wenn sich die Deutschen an den UN-Missionen beteiligten, hätten sie die Chance, die Struktur der Vereinten Nationen zu verändern.

Kontrovers diskutieren die SozialdemokratInnen auch über die Rolle Deutschlands bei einer künftigen europäischen Verteidigung. „Die Bundesrepublik wird beim Zusammenwachsen der EG zu einer Politischen Union einen angemessenen Beitrag zur europäischen Verteidigung leisten“, hatte das Präsidium der SPD in seinem Antrag für den Parteitag formuliert. Ebenso wie in den Vereinten Nationen müßten auch innerhalb der EG erstmal demokratische Strukturen geschaffen werden, argumentieren die Gegner dieses Vorschlags. Sicherheitsexperte Hermann Scheer fordert: „Das europäische Parlament muß zunächst mehr Rechte bekommen, sonst wird auf dem wichtigen Gebiet der Sicherheitspolitik die Demokratie ausgeschaltet.“

In einem Punkt sind sich alle SozialdemokratInnen einig: Sie wollen nicht, daß sich deutsche Soldaten eines Tages an Militäraktionen wie dem Golfkrieg beteiligen. Der Oberbefehl für UN-Aktionen dürfe nie wieder an ein einziges Land abgegeben werden. Das sehen CDU und FDP anders. Der Liberale Günther Nolting forderte gestern „im Rahmen multinationaler Verbände mit Genehmigung der UN wie im Golfkrieg“ müßten auch deutsche Soldaten kämpfen dürfen. Franz Möller, Justitiar der CDU-Bundestagsfraktion meinte, dafür sei nicht einmal eine Grundgesetzänderung erforderlich.