Mit „sanftem Zwang“

■ Roma und „Aktion Sühnezeichen“ kritisieren Behandlung durch nordrhein-westfälische Behörden/ Den Flüchtlingen droht die Abschiebung nach Jugoslawien

Duisburg (taz) — Alle drei Wochen starten vom Düsseldorfer Flughafen Lufthansa-Linienmaschinen nach Zagreb und Istanbul, deren Passagierlisten vom Düsseldorfer Regierungspräsidium komplettiert werden: Jeweils dreißig bis vierzig Menschen werden, so der zuständige Beamte, bei der „rein technischen Angelegenheit“ mit „sanftem Zwang“ ins Flugzeug gesetzt. NRW-Abschiebealltag, der nun auch jenen Roma droht, denen der NRW-Innenminister Schnoor noch im letzten Jahr Bleiberecht und Anerkennung als „De-facto-Staatenlose“ in Aussicht gestellt hatte.

Die erste Gruppe mit 226 Roma — mehr als die Hälfte davon sind Kinder — die auf das zynische „Reintegrations“-Angebot der Landesregierung mit einem klaren Nein geantwortet haben, muß nun täglich mit der Zustellung ihrer „Grenzübertrittsbescheinigung“ rechnen. Als Roma verwehrt ihnen das Land NRW die Aufnahme, als Jugoslawen werden sie abgeschoben. Die amtliche Abschiebestatistik unterscheidet zwar bei den unfreiwilligen Flügen nach Istanbul zwischen Türken und Kurden, doch nach Zagreb werden von Amts wegen nur Jugoslawen zurückverfrachtet.

Für die NRW-Behörden gibt es „Roma nicht als Volk“, klagte Rudko Kawczynski bei einer Veranstaltung der „Aktion Sühnezeichen/ Friedensdienste“ in Duisburg, „sondern nur als Eigenschaft“. Roma stünden in Deutschland auf der untersten Stufe, so der Vorsitzende der „Roma und Cinti-Union“ (RCU) weiter, „ein Roma ist kein Ausländer, kein Tier, kein Fisch, kein Frosch, das ist ein Zigeuner“. Die Landesregierung gehe mit den Bleiberechtsanträgen der Roma um, als würde das Sozialamt über einen Sozialhilfeantrag sagen, „das ist jetzt Ihre Steuererklärung“.

Die Aktion Sühnezeichen sieht in der geplanten „Rückführung“ von Roma nach Jugoslawien den Versuch der NRW-Landesregierung, sich „durch Zahlungen von der historischen und humanitären Verantwortung“ freizukaufen: „Ausgerechnet im vereinigten Deutschland soll erneut das Volk der Roma vertrieben werden, dessen Angehörige Opfer des Nationalsozialismus waren.“

Die RCU verlangt nach wie vor das Bleiberecht für etwa 6.000—7.000 staatenlose Roma im Bundesgebiet. Zwei Drittel davon sind Kinder, viele wurden hierzulande geboren. Über das Schicksal der Roma verhandelt nicht nur die Landesregierung am liebsten ohne die Betroffenen. Das geplante Seminar mit RCU-Referenten, für das sich auch an die 30 „Würdenträger aus kirchlichen Kreisen“ angesagt hatten, fand — in Ermangelung von deutschen TeilnehmerInnen — nicht statt. Martin Fischer