Treuhand verkaufte Ex-SED-Zeitungen

■ Die zehn größten ostdeutschen Regionalzeitungen haben neue West-Besitzer/ 850 Millionen Mark Erlös/ Treuhand-Vorstand bestreitet politische Pressionen

Berlin (taz) — Die Würfel sind gefallen, und die Berliner Treuhandanstalt kann dem Bundesfinanzminister den stolzen Gewinn von 850 Millionen Mark melden. Treuhandvorstandsmitglied Karl Schirner gab gestern am Ostberliner Alexanderplatz die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Verkaufsverhandlungen über zehn der größten ostdeutschen Regionalzeitungen bekannt. Um die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen hatten sich bis zum 15.Februar dieses Jahres 37 Verlage mit insgesamt 84 Angeboten beworben.

Wegen des schwierigen Auswahlverfahrens, der hohen Zahl von Interessenten und weil die Verkäufe „nach außen nachvollziehbar“ sein sollten, hat die Treuhand als quasi objektiver Berater das Investmentbankhaus J.P. Morgan eingeschaltet. Und gleich mehrfach glaubte Schirner gestern darauf hinweisen zu müssen, die Treuhand habe in keiner Weise unter politischem Druck gestanden, und wer dies dennoch glaube, berücksichtige nicht die Unabhängigkeit des Verwaltungsrates. Kriterium sei die Erhaltung der Medienvielfalt in den neuen Bundesländern gewesen, natürlich aber auch der Kaufpreis und die vorgelegten Unternehmenskonzepte, die Kompetenz und Solidität des Interessenten sowie Beschäftigungs- und Investitionsplanungen. Obwohl auch die bisher gezeigten Kooperationsleistungen mitberücksichtigt wurden, haben die Verkaufsentscheidungen der Treuhand bei fünf Zeitungen dazu geführt, daß die jetzigen westdeutschen Partner nicht akzeptiert worden sind.

Mit einer Kompromißlösung muß sich der Hamburger Verlagsgigant Gruner+Jahr zufriedengeben, der Anspruch auf die in Dresden ansässige 'Sächsische Zeitung‘ erhoben hat. Ausgerechnet an die eher rechtslastige Düsseldorfer 'Rheinische Post‘ müssen die Hamburger jetzt 49 Prozent der Verlagsleitung abtreten. Vor kurzem noch hatte Gruner+ Jahr angedroht, juristische Schritte einzuleiten, wenn ihr die Dresdner Zeitung nicht zugeschlagen werde. Jetzt gab sich der Verlag aber mit 51 Prozent zufrieden.

Die zehn SED-Zeitungen werden künftig folgende Besitzer haben: 'Lausitzer Rundschau‘ (Cottbus) mit einer Auflage von 240.000 geht an die 'Saarbrücker Zeitung‘; die 'Magdeburger Volksstimme‘ mit 374.000 an den Heinrich Bauer Verlag; die 'Märkische Allgemeine‘ (Potsdam), für die es allein 13 Anbieter gab, mit 280.000 an die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘; das 'Freie Wort‘ (Suhl) mit 149.000 an die 'Coburger Neue Presse‘; der 'Nordkurier‘ (Neubrandenburg) mit 175.000 an die Münchner Merkur Gruppe; die 'Märkische Oderzeitung‘ (Frankfurt/Oder) mit 175.000 an die 'Südwest Presse‘, Ulm; die 'Ostsee Zeitung‘ (Rostock) mit 243.000 an die 'Lübecker Nachrichten‘; die 'Schweriner Volkszeitung‘ (Schwerin) mit 180.000 an den Burda Verlag; die 'Sächsische Zeitung‘ (Dresden) mit 517.000 mehrheitlich an Gruner+Jahr zusammen mit der 'Rheinischen Post‘/Giradet; und die 'Leipziger Volkszeitung‘ (Leipzig) mit 379.000 gemeinschaftlich an den Axel Springer Verlag und Madsack.

Nach Auskunft Schirners wollen die neuen Besitzer insgesamt 1,3 Milliarden Mark in die erworbenen Zeitungen und Druckereien investieren und den Mitarbeiterstab bis Ende 1992 um eintausend auf knapp 9.000 erhöhen. Der Umsatz soll sich mehr als verdoppeln.

Spannend bleibt noch, wie sich die SPD verhalten wird, die auf neun der zehn verkauften Regionalzeitungen Eigentumsansprüche angemeldet hat. Barbara Geier